zurück
HBS Böckler Impuls

Zufriedenheit: Im Schutz des Sozialstaats floriert das Glück

Ausgabe 15/2007

Zufriedenheit ist keine Privatsache. Europäer fühlen sich dann besonders wohl, wenn gesellschaftliche Ungleichheit begrenzt ist und soziale Sicherung sie schützt.

Zufriedenheit verteilt sich ungleich, über Gesellschaftsschichten, aber auch über Länder hinweg. Das erlaubt Vergleiche und Aussagen darüber, was das Glück befördert. Petra Böhnke und Ulrich Kohler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) haben die Lebenszufriedenheit der EU-Bürger untersucht. Die hängt nicht allein von der Persönlichkeitsstruktur und den privaten Lebensumständen ab, stellen die Forscher fest: "Es zeigt sich, dass das Wohlfahrtsniveau und die Struktur der Sozialversicherungssysteme einen deutlichen Einfluss auf subjektives Wohlbefinden ausüben." Empfinden die Menschen den sozialen Schutz als schwach, beeinträchtigt das ihr persönliches Leben. Böhnke und Kohler haben Daten des 2003 in 28 Ländern erhobenen European Quality of Life Survey ausgewertet und diese in Bezug gesetzt zu gesellschaftlichen Kennzahlen wie der Höhe der Sozialausgaben und des Bruttoinlandsproduktes.

Der europäische Vergleich: Die durchschnittliche Zufriedenheit liegt im Norden höher als im Süden und unter den alten EU-Mitgliedern höher als bei den neuen. Spitze sind die nordischen Länder, dann folgen West- und Mitteleuropäer, schließlich die Beitrittsstaaten, darunter ganz am Schluss Bulgarien. "Die große Diskrepanz zwischen der Lebenszufriedenheit von Schweden und Bulgaren lässt sich mit ökonomischen, institutionellen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen erklären", schreiben Böhnke und Kohler. Das belegt bereits der signifikante Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Zufriedenheit im Land und dem jeweiligen Human Development Index (HDI) - der von der UNO bestimmte Index spiegelt Wohlstand, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung wider. Gleichwohl gibt es Ausnahmen: Die Rumänen stehen im HDI schlechter als die Bulgaren, sind aber weitaus zufriedener.

Wohlstand steigert das Befinden. Menschen im oberen Einkommens-Viertel eines Landes sind stets zufriedener als andere, und am wenigsten sind es jene mit dem niedrigsten Einkommen. "Geringe Bildung, Arbeitslosigkeit und Armut drücken das subjektive Wohlbefinden in allen Ländern massiv", so die Autoren. Aber: Das Niveau der Zufriedenheit hängt nicht allein vom persönlichen Reichtum ab, sondern auch von der Prosperität des Landes. Wer in einem wohlhabenden EU-15-Staat nur über ein vergleichsweise geringes Einkommen verfügt, sieht sich häufig eher im Einklang mit seinen Lebensbedingungen als jemand, der ein relativ hohes Einkommen in einem ärmeren Land erhält.

"Ältere Menschen sind insbesondere in den postkommunistischen und mediterranen Ländern unzufriedener als die jüngeren, während die älteren Jahrgänge in Nord- und Kontinentaleuropa am zufriedensten sind", beobachten Böhnke und Kohler. Ein Grund dafür: Die gesellschaftlichen Ausgaben für Alterssicherung und Gesundheit sind geringer und bremsen die typischen Altersfolgen weniger. Wenn der Sozialstaat sie nicht schützt, sind Ältere unzufriedener, folgern die Wissenschaftler.

Der hohe Stellenwert der Gesellschaft. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. "Je höher die Sozialschutzausgaben, je effektiver das politische System und je höher die Lebenserwartung, desto zufriedener sind die Menschen in den einzelnen Ländern mit ihrem Leben", so die Wissenschaftler. Zwar hat in den Transformationsländern der Zugang zu materiellen Ressourcen einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit, doch davon abgesehen sind die Europäer wenig egoistisch. "Erstaunlich ist der hohe Stellenwert, den die Bewertung der Gesellschaft für die individuelle Lebenszufriedenheit hat. In allen Ländern sind Menschen bedeutend unzufriedener, die wenig Vertrauen in die Sozialversicherungssysteme wie auch in andere Menschen haben." Auch ein gutes Gesundheits- und Bildungssystem hebe die Einschätzung der Bürger. Weitere Einflussfaktoren sind die Arbeitslosenquote, die Verbreitung extremer Armut, die Säuglingssterblichkeit sowie der Umfang politischer Rechte und Freiheitsgrade. "Die Menschen sind also durchaus in der Lage, die Qualität ihrer Gesellschaft einzuschätzen und nehmen sie als Möglichkeitsraum oder Restriktion für eigene Lebensgestaltung wahr", schließen Böhnke und Kohler. Deshalb sei die Lebenszufriedenheit alles andere als unpolitisch.

  • Gesellschaftlicher Entwicklungsstand und Lebenszugfriedenheit hängen eng zusammen. Zur Grafik

Petra Böhnke, Ulrich Kohler: Determinanten des Glücks: Lebenszufriedenheit in Europa, in: WSI-Mitteilungen 7/2007.

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen