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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: „Ihr müsst euch an Regeln halten!“

Ausgabe 02/2018

Die ersten Erfahrungen mit chinesischen Investoren in Deutschland waren gut. Doch dieses Bild bekommt Risse. Warum, erklärt Mitbestimmungsexperte Oliver Emons.

Was bedeutet es für die Beschäftigten, wenn ein chinesischer Investor die Firma übernimmt?

In den vergangenen Jahren haben sich chinesische Investoren nach einer Übernahme oft zurückgehalten. Sie hielten sich an Tarifverträge und verzichteten auf Entlassungen. In der Zusammenarbeit mit den Beschäftigten und ihren Vertretern gab es häufig keine Probleme. Jetzt zeigen sich allerdings erste Fälle, in denen die Käufer ihre Zurückhaltung ablegen und Forderungen stellen.

Was hat sich geändert?

Anfangs galt die Direktive: keine Regelverstöße, keine schlechte Presse. Außerdem kannten sich die Chinesen noch nicht sonderlich gut auf dem deutschen Markt und mit den deutschen Gesetzen aus. Viele wussten zum Beispiel gar nicht, dass Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten mitbestimmen oder Betriebsräte bei der Personalauswahl mit am Tisch sitzen. Das hat man sich eine Zeit lang erstmal angeschaut und weitgehend akzeptiert. 

In welchen Fällen drohen Konflikte?

Ein aktueller Fall ist der Lampenhersteller Ledvance, der früher zum Osram-Konzern gehörte. Ein halbes Jahr nach der Übernahme durch ein chinesisches Konsortium drohen massive Stellenstreichungen und Werksschließungen. Das Ausmaß des Abbaus ist nicht nachvollziehbar. Auch beim Roboterhersteller Kuka ist nach der Übernahme durch die chinesische Firma Midea nicht alles optimal gelaufen. Von anfänglichen Versprechen haben die Investoren wenig eingehalten. Daneben gibt es aber nach wie vor gute Erfahrungen mit chinesischen Investoren, der Großteil ist positiv.

Wie geht die Entwicklung weiter?

Die nächsten Monate werden sehr spannend. In einer Reihe von Unternehmen laufen Standort- und Beschäftigungsgarantien aus. Man wird sehen, wie sich die chinesischen Eigentümer im Anschluss verhalten.

Worauf sollten Arbeitnehmervertreter besonders genau achten?

Dass Versprechen eingehalten werden. Sie sollten den Investoren klarmachen: Ihr könnt uns kaufen, aber ihr müsst euch an Regeln halten! Dazu gehören Bekenntnisse zum Standort, zu Arbeitsplätzen und zur Mitbestimmung.

In den nächsten Jahren wird es weitere Übernahmen durch Chinesen geben. Welche Branchen werden besonders betroffen sein?

China will nicht länger für billige Massenware, sondern für Innovation und Qualität stehen. Das geht aus der Regierungsstrategie Made in China 2025 hervor. Entsprechend werden sich Zukäufe auf Zukunftstechnologien konzentrieren, zum Beispiel im Maschinenbau, der Robotik oder der Pharmaindustrie. Das sind genau die Branchen, in denen Deutschland stark ist. Hier wird man zwangsläufig in Konkurrenz stehen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Nachfolgeproblematik bei deutschen Unternehmen. In den nächsten Jahren dürften viele Chefs abtreten, ohne dass ein Nachfolger bereitsteht. Wenn die Firma dann zum Verkauf steht, könnten Investoren die Gelegenheit für eine Übernahme nutzen. 

Sind die Investoren an langfristigen Partnerschaften interessiert? Oder geht es darum, Technologie ins Heimatland zu transferieren? 

Auch hier gilt: Die bisherigen Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Und für ein abschließendes Urteil ist es noch zu früh.

Müssen bestimmte Industrien vor dem Zugriff durch Investoren geschützt werden?

Jede Form von Protektionismus ist zunächst einmal Gift für die Wirtschaft, gerade für ein im Welthandel so verflochtenes Land wie Deutschland. Allerdings müssen faire Spielregeln herrschen. Darauf müssen alle Akteure, nicht zuletzt die Bundesregierung drängen. Ein Beispiel, wie es nicht laufen sollte, ist die Photovoltaik-Branche. Hier konnten chinesische Unternehmen dank massiver staatlicher Subventionen die deutschen Wettbewerber aus dem Markt drängen.

Wenn Arbeitnehmer die Wahl hätten, ob sie einen neuen Eigentümer aus China bekommen oder ihr Betrieb von einem anglo-amerikanischen Finanzinvestor übernommen wird – wen sollten sie wählen?

Den Investor aus China! Im Vergleich dazu, wie sich manche Finanzinvestoren verhalten, kommen die Beschäftigten mit chinesischen Investoren besser zurecht. Ob das so bleibt, muss man genau beobachten. 

  • Die Zahl der Übernahmen deutscher Firmen durch Chinesen ist in den verganenen Jahren deutlich gestiegen. Zur Grafik

Oliver Emons ist Leiter eines Wirtschaftsreferates mit den Schwerpunkten Fusionen und Übernahmen, nachhaltigkeit und Mitbestimmung und Jahresabschlussanalyse in der Abteilung Mitbestimmungsförderung

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