Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitsmarkt: Hire and Fire schadet Innovationen
Schadet Arbeitsmarktregulierung der Innovationsfähigkeit? Bei etablierten Unternehmen trifft das Gegenteil zu, zeigt eine Studie.
Die USA kennen keinen Kündigungsschutz, wie er in vielen Teilen Europas üblich ist. Deshalb, sagen die einen, entstehen jenseits des Atlantiks mehr junge kreative Firmen, die zum Beispiel die Computertechnik voranbringen. Deshalb, so sagen die anderen, hat die klassische Industrie in den USA in den vergangenen Jahrzehnten an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das Argument dahinter: Eine Personalpolitik nach dem Motto „Hire and Fire“ schadet der Loyalität und begünstigt das Abfließen von Kenntnissen zu Konkurrenten. Das erschwert die Sammlung und den Erhalt von Fachwissen im Unternehmen, das einen steten Vorsprung vor der Konkurrenz garantieren würde. Dieses Defizit habe dazu geführt, dass etwa die amerikanische Auto- und die Stahlindustrie schwer unter der japanischen und deutschen Konkurrenz gelitten haben – also unter Wettbewerbern aus Ländern mit starkem Kündigungsschutz.
Alfred Kleinknecht, WSI-Forscher und bis vor kurzem Professor an der Technischen Universität Delft, hat die Zusammenhänge gemeinsam mit Kollegen aus Rotterdam und Groningen untersucht. Ihr Datensatz repräsentiert Unternehmen aus allen Branchen der Industrie und aus dem Dienstleistungsgewerbe der Niederlande. Die Forscher haben einen Indikator entwickelt, der Wirtschaftszweige nach unterschiedlichen „Innovationsmodellen“ ordnet. Modell eins ist typisch für junge Firmen, die eine neue Idee umsetzen – sogenanntes „Garage Business“. Modell zwei bezeichnet die „routinemäßige“ Innovation, stetige kleine Verbesserungen, wie sie bei größeren Unternehmen in reifen Industriezweigen üblich sind.
Die Wissenschaftler haben anschließend für beide Innovationsmodelle überprüft, wie unterschiedliche personalpolitische Ansätze – stabile und gut bezahlte Stammbelegschaften versus hohe Anteile niedrig entlohnter Mitarbeiter mit Zeitverträgen – auf die Innovationstätigkeit wirken. Dabei zeigte sich, dass flexible Arbeit in Branchen mit „Garage Business“-Charakter keinen signifikanten Einfluss auf das Innovationsverhalten hat. In Branchen mit einem „routinemäßigen“ Innovationsmodell zeigt sich jedoch ein negativer Zusammenhang von Innovation und flexiblem Arbeitseinsatz. „Betriebe mit hohen Anteilen von Zeitverträgen, Scheinselbstständigen oder Leiharbeitern sind signifikant weniger innovativ“, so Kleinknecht. Dies passe gut zu der Beobachtung, dass angelsächsische Länder mit flexiblen Arbeitsmärkten erheblich geringere Wachstumsraten bei der Arbeitsproduktivität aufweisen als Länder des „,alten Europa‘, die (noch) ein hohes Maß an sozialer Sicherheit und Kündigungsschutz bieten“.
Alfred Kleinknecht u.a.: Is flexible labour good for innovation? Evidence from firm-level data, in: Cambridge Journal of Economics 2014