Quelle: HBS
Böckler ImpulsFinanzmarkt: Hedge-Fonds: Regeln auch für die Inseln
Hedge-Fonds agieren meist von Steueroasen aus, wo sie keine Finanzaufsicht kontrolliert. Dennoch gibt es Ansatzpunkte für eine Regulierung - und zwar bei den Kreditgebern.
Hedge-Fonds handeln mit Derivaten, spekulieren auf Kursverluste - und verwenden bei diesen riskanten Geschäften vor allem geliehenes Geld. Kann ein Fonds seine Kredite nicht zurückzahlen, drohen Banken und Volkswirtschaft erhebliche Schäden. Wie lässt sich das Risiko eindämmen? Der Experte für internationale Finanzmärkte Hans-Joachim Voth rät, bei den Kreditgebern anzusetzen. "Die richtige Lösung liegt in einer Neuregelung der Risikokapitalanforderungen an die Banken", schreibt der Professor in einem Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung. "Hier kann durch klare, vorsichtige Vorschriften eine deutliche Reduktion der Risiken an den Anlagemärkten und im Bankensystem erreicht werden."
Von Hedge-Fonds gehen Gefahren für die Finanzmärkte aus. Seit der Zahlungsunfähigkeit des Fonds LTCM 1998 ist das sichtbar. Die Schulden von LTCM waren etwa so hoch wie die des brasilianischen Staates. Ihnen stand jedoch kaum eigenes Vermögen gegenüber - auf 100 Dollar Kredite kamen nur knapp 4 Dollar Eigenkapital. Die amerikanische Zentralbank musste eine Rettungsaktion organisieren. Derzeit verfügen Hedge-Fonds über etwa 1.400 Milliarden Dollar Anlagevermögen. Und die Wachstumsraten sind enorm: Waren es noch vor kurzem vor allem reiche Einzelpersonen, die ihr Geld in Hedge-Fonds anlegten, so sind heute immer mehr Pensionskassen, Versicherungen und Universitätsstiftungen dabei. Seit 2000 hat sich das verwaltete Vermögen der Branche mehr als verdreifacht.
Die dahinter stehenden Renditeversprechen können die Fonds allerdings oft nicht halten. Tendenziell fallen die Renditen. Im vergangenen Jahr verlor der Amaranth Fonds über sechs Milliarden Dollar. Die Anleger - darunter auch der Pensionsfonds der Stadt San Diego - verzeichneten enorme Verluste. "Für viele Pensionskassen und Versicherungen wird es zu bösen Überraschungen kommen", warnt Voth. Der Experte beobachtet bei den Fondsmanagern einen "häufig wenig vertrauenserweckenden Umgang mit Anlegergeldern". Die meist an Offshore-Finanzplätzen residierenden Hedge-Fonds unterliegen im Unterschied zu Investment-Fonds kaum Beschränkungen.
In der unregulierten Branche häufen sich die Betrugsfälle. Der Fonds Bayou, registriert auf den Cayman-Inseln und ausgestattet mit Anlegergeldern von 450 Millionen Dollar, brach 2004 zusammen. Bayou hatte stets Gewinne ausgewiesen, tatsächlich aber sieben Jahre Verluste gemacht. Untersuchungen lassen darauf schließen, dass Manipulationen generell nicht unüblich sind. Einer neuen US-Studie zufolge fallen die ausgewiesenen Renditen im Dezember dreimal so hoch aus wie im Durchschnittsmonat. Der Verdacht: Weil die Gebühren der Fonds von den bis Ende Dezember erzielten Werten abhängen, werden erwartete Gewinne regelmäßig vorgezogen.
Voths Vorschlag im Detail: Wenn Banken künftig Kredite an Hedge-Fonds vergeben oder Geschäfte für diese abwickeln, sollen sie die Kredite mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegen müssen als bisher - in Zukunft mit etwa 30 Prozent des Kreditvolumens. Dadurch werden Kredite teurer, für Fondsmanager wird es weniger reizvoll, Schulden aufzutürmen. Die Gefahren für die Stabilität des weltweiten Finanzsystems gehen zurück, Milliardenverluste und -gewinne werden seltener. Damit schärfere Mindestkapitalforderungen greifen, ist eine internationale Vereinbarung nötig. Voth erwartet hierfür Zustimmung - selbst US-Notenbanker und die englische Finanzaufsicht äußern zunehmend Sorgen über die Praktiken der Fonds. Weil nur wenige Banken das Geschäft dominieren, ist diese Lösung leicht umsetzbar: Morgan Stanley, Goldman Sachs und Bear Stearns wickeln mehr als die Hälfte des Geschäfts mit Hedge-Fonds ab, weltweit wären kaum mehr als 20 Kredithäuser von den neuen Regeln substanziell betroffen. Und ohne die Einschaltung einer Investmentbank können nur wenige Hedge-Fonds an den Wertpapiermärkten direkt handeln.
Eine indirekte Regulierung über die Banken ist zwar nur die zweitbeste Lösung. "Idealerweise sollten Hedge-Fonds zu einer rechtlichen Ansiedlung in einem OECD-Land gezwungen werden und dort umfassend und vorsichtig reguliert werden", räumt Voth ein. Doch für einen solchen Schritt erwartet er keine ausreichende Unterstützung. Das Instrument der Kapitalanforderungen erlaubt eine flexible Anwendung: Die Mindesthöhe kann reduziert werden, wenn Fonds langfristige Anlagestrategien verfolgen, sich in einem EU-Land ansiedeln oder mehr Transparenz schaffen.
Hans-Joachim Voth: Transparenz und Fairness auf einem Einheitlichen Europäischen Kapitalmarkt, Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung 2007 (pdf)