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HBS Böckler Impuls

Kultur: Gute Arbeit steht selten auf dem Spielplan

Ausgabe 08/2016

Auf der Bühne sein Geld zu verdienen, ist ein hartes Geschäft: Viele Künstler arbeiten unter prekären Bedingungen.

Dass kreatives Talent sich kommerziell nicht immer auszahlt, davon zeugen prominente Beispiele: Lessing musste sich als Bibliothekar in der Provinz verdingen, van Goghs Kundschaft bestand fast ausschließlich aus seinem Bruder, Mozarts Barschaft reichte am Ende nicht mal für ein Einzelgrab. Wie es aktuell um die berufliche Situation von Kunstschaffenden steht, hat Maximilian Norz von der Künstlerinitiative „art but fair“ untersucht. Seiner Studie zufolge, die von der Hans-Böckler-Stiftung und der Kulturpolitischen Gesellschaft gefördert wurde, herrschen in den schönen Künsten oft unschöne Arbeitsbedingungen: Musiker, Tänzer und Schauspieler müssen sich mehrheitlich mit unzureichender Vergütung und unsicheren Jobs arrangieren. Um das zu ändern, wären mehr gewerkschaftliches Engagement von Künstlern, mehr Problembewusstsein beim Publikum und ein Kurswechsel der Kulturpolitik gefragt.

Die Zahl derjenigen, die einen künstlerischen Beruf ausüben, ist offiziellen Statistiken zufolge durchaus beachtlich: 2011 gab es über 18.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Musiker und knapp 22.000 darstellende Künstler. Bei der Künstlersozialkasse, die Selbständigen ab einem Jahreseinkommen von 3.900 Euro offensteht, waren 2014 etwa 51.000 Musikanten und über 24.000 Schauspieler und Tänzer gemeldet.

Um einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe zu gewinnen, hat Norz eine Online-Umfrage durchgeführt, an der sich 2.635 Erwerbstätige aus den Bereichen Musik und Darstellende Kunst beteiligt haben. 2.160 der Befragten sind Künstler, 475 gehen einer anderen Tätigkeit nach, beispielsweise als Bühnenarbeiter oder Techniker. 91 Prozent sind in Deutschland tätig, der Rest in Österreich und der Schweiz. Zusätzlich wurden ausführliche Interviews mit 22 Künstlern, Veranstaltern, Vermittlern, Politikern sowie Vertretern von Bildungsinstitutionen und Verbänden geführt.

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Akteure auf Theater- und Konzertbühnen einige Missstände in Kauf nehmen müssen. 79 Prozent von ihnen halten ihre Gagen für unangemessen. Das Nettoeinkommen liegt bei 40 Prozent unter 10.000 Euro pro Jahr. Die prekäre Einkommenssituation hängt auch damit zusammen, dass 70 Prozent der Musiker, Tänzer und Schauspieler unbezahlte Leistungen erbringen müssen. Besonders zu Beginn der Karriere würden von Künstlern kostenlose Auftritte erwartet, damit sie Erfahrung und Renommee sammeln können, so der Autor. Später sei es üblich, dass sie ohne finanzielle Gegenleistung proben oder Nutzungsrechte übertragen. Mit Altersarmut rechnen angesichts der bescheidenen Vergütung in ihrer Branche vier von fünf Befragten. Zu diesen Befürchtungen dürfte auch beitragen, dass viele Künstler – beispielsweise Tänzer – wegen der körperlichen Belastungen in ihrem Job früh aus dem Berufsleben ausscheiden müssen.

Ein weiteres gravierendes Problem: Gut 80 Prozent der Befragten empfinden ihre Beschäftigungssituation als unsicher. Tatsächlich ist Norz' Analyse zufolge die Normalarbeit im künstlerischen Bereich auf dem Rückzug: Während die Anzahl der Selbständigen unter den männlichen Künstlern zwischen 2006 und 2011 um 25 Prozent und unter den Künstlerinnen um 39 Prozent gestiegen ist, hat die Gruppe der abhängig beschäftigten Männer nur um vier und die der Frauen um sieben Prozent zugenommen. Bei den per Werkvertrag beschäftigten Künstlern betrug der Zuwachs zwischen 2005 und 2010 fast ein Drittel. Eine Folge der unsteten Beschäftigungssituation ist die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die 60 Prozent der befragten Künstler beklagen.

Defizite beim Arbeitsumfeld wie ungeheizte Räume, ungeeignete Tanzböden oder schlechte Unterkünfte stellen für die Hälfte der Künstler ein Problem dar. Fast ebenso viele geben an, dass Schutzvorschriften wie beispielsweise das Arbeitszeitgesetz teilweise nicht eingehalten werden. Ein Drittel hat Erfahrungen mit Vertragsbrüchen, Machtmissbrauch und Willkür. Fehlende Mitbestimmung bei der Arbeit kennen 25 Prozent, Mobbing 17 Prozent, sexuelle Belästigung fünf Prozent.

Norz hat sich auch damit auseinandergesetzt, was gegen Missstände unternommen werden könnte. Nach seiner Einschätzung sind Gewerkschaften durchaus geeignet, sich wirksam für bessere Arbeitsbedingungen von Künstlern einzusetzen. Allerdings sei der Organisationsgrad auch wegen der vielen Selbständigen und atypisch Beschäftigten eher gering. Hilfreich könnte ein Gütesiegel sein, das Veranstaltern die Einhaltung von Mindeststandards bescheinigt. Die Politik wiederum sollte ihre Kulturförderung an soziale Kriterien knüpfen, em­pfiehlt der Autor. Gute Arbeit für Künstler gehöre zu den Kernaufgaben der Kulturpolitik.

  • 40 Prozent der Musiker, Tänzer und Schauspieler müssen mit weniger als 10.000 Euro Nettoeinkommen pro Jahr auskommen. Zur Grafik

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