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Grüne Energie braucht gute Arbeit Böckler Impuls

Arbeitswelt: Grüne Energie braucht gute Arbeit

Ausgabe 06/2023

Deutschland muss mehr erneuerbare Energie erzeugen. Der Ausbau der Windenergie stockt jedoch. Um die Windindustrie wieder zu stärken, sind auch bessere Arbeitsbedingungen nötig.

Ohne mehr Windräder keine Energiewende, ohne Energiewende wären die gesteckten Klimaziele Makulatur. Die Windindustrie ist daher eine Schlüsselbranche, die prosperieren sollte. Davon ist sie jedoch weit entfernt: „Der deutsche Markt ist seit dem Jahr 2017 massiv eingebrochen. Die Ausbauzahlen sind sowohl an Land als auch auf See in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. In der Folge hat auch die Windindustrie in Deutschland deutlich an Substanz verloren. Ein signifikanter Teil der Unternehmen der Branche ist in den vergangenen Jahren vom Markt verschwunden.“ Das schreibt ein Forschungsteam von der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung in einer Branchenanalyse, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall gefördert hat. 

Jobs und Knowhow verloren

Politische Entscheidungen wie die auf möglichst niedrige Preise ausgerichtete Ausschreibungspolitik für Windprojekte ab 2017 und strenge Abstandsregelungen in verschiedenen Bundesländern haben deutliche Spuren hinterlassen. In den Jahren 2017 bis 2019 hat die Branche zeitweise mehr als 40 000 Arbeitsplätze verloren – und damit auch viel Knowhow. Die Fertigungstiefe hat stark abgenommen, seit dem vergangenen Jahr werden in Deutschland zum Beispiel keine Rotorblätter für Windräder mehr hergestellt. Größere, internatio­nal tätige Firmen haben wichtige Teile der Produktion ins Ausland verlagert, unter anderem weil bei Ausschreibungen in etlichen Ländern gefordert wird, dass wesentliche Teile der Wertschöpfung vor Ort („local content“) stattfinden. 

Vergabekriterien verbesserungsbedürftig

Was muss geschehen, damit die deutsche Windbranche wieder wächst? Das Bremer Expertenteam macht in seiner Analyse eine Reihe von Faktoren aus. Zunächst müssten mehr neue Flächen ausgewiesen, die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht und Projekte schneller genehmigt werden. Dazu gehöre auch, für mehr Personal und eine bessere technische Ausstattung in den Behörden zu sorgen. In der jüngsten Vergangenheit sind nur wenige Standorte dazugekommen. Dass der Windstrom dennoch zunahm – er machte 2021 gut ein Fünftel des Strommixes aus –, lag im Wesentlichen daran, dass ältere Windräder durch neue mit höherer Leistung ersetzt wurden. Über die bisherigen Ansätze der Bundesregierung in Sachen Flächenausweisung und Genehmigungsverfahren hinaus seien die politischen Rahmenbedingungen, Förderregeln und Vergabekriterien verbesserungsbedürftig. Denn die Branche steht, wie etwa viele Betriebsräte monieren, seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2017 unter enormem Kostendruck. In der Folge werde häufig gespart statt investiert. 

Forschung fördern

Staatliche Unterstützung und weitere Forschungsförderung wäre auch bei der Entwicklung neuer Technologien hilfreich. Hier geht es vor allem um schwimmende Windräder, die weit vor der Küste installiert werden könnten, oder Anlagen, die den vom Windrad erzeugten Strom unmittelbar zur Erzeugung grünen Wasserstoffs nutzen. Zudem wäre es laut den Experten und Expertinnen sinnvoll, Allianzen zwischen Windbranche und Werftindustrie zu bilden, wenn es um Offshore-Projekte geht. Ein anderes Feld, auf dem noch viel zu tun ist, wäre die Verbesserung der Ökobilanz der Windindustrie selbst. Hier geht es insbesondere um das Recycling der riesigen Rotorblätter, die aus schwer zu trennenden Verbundmaterialien hergestellt sind. 

Ausbildung, Tarifbindung, Mitbestimmung stärken

Der letztlich entscheidende Faktor ist der Untersuchung zufolge aber die menschliche Arbeit: Die Branche braucht hoch qualifizierte Beschäftigte, die sie nur bekommt, wenn sie gute Arbeitsbedingungen bieten kann. In dieser Hinsicht steht die Windindustrie jedoch eher bescheiden da. Tarifverträge und Mitbestimmung seien in der Branche nicht die Regel. Nach einer Befragung von Betriebsräten liegt die Tarifbindung unter 40 Prozent. Auch bei der Qualifizierung und Nachwuchsgewinnung hapert es. Die Ausbildungsquote, also der Anteil der Auszubildenden an allen Beschäftigten, liegt bei gerade einmal 3,6 Prozent – verglichen mit rund 6 Prozent im gesamten Maschinenbau. 

Tarifbindung als Vergabekriterium

Die Autorinnen und Autoren der Branchenstudie schlagen vor, eine „Arbeitsmarktstrategie zur Erreichung der Energiewende-Ziele“ zu initiieren. Neben Aus- und Weiterbildung müsste es dabei um eine Stärkung der Tarifbindung gehen. Zum Beispiel könnte die Bezahlung nach Tarif als zusätzliches Kriterium bei Ausschreibungen von Windkraftanlagen berücksichtigt werden. Ein weiteres Kriterium könnte der Anteil regionaler Wertschöpfung sein – als Reaktion auf Local-content-Bestimmungen in vielen anderen Ländern.

Bessere Arbeitsbedingungen in Wartung und Betrieb

Genauso wichtig wie die Arbeitsbedingungen in der Produktion sind diejenigen im Bereich Wartung und Betrieb. Auch für diese Jobs sind hoch qualifizierte Fachkräfte nötig – die nicht nur mit der komplexen Technik zurechtkommen müssen, sondern dies auch in mehr als hundert Metern Höhe bei eisigem Wind oder über dem tosenden Meer. Und das alles bei vergleichsweise unattraktiven Arbeitszeitmodellen, in denen sich mehrtägige Arbeits- und Freizeitphasen abwechseln, weil die Entfernungen für eine tägliche Heimreise zu groß sind. Die Forschenden empfehlen, für bessere und attraktivere Jobs an zwei Stellen anzusetzen: erstens mit einer kritischen Evaluation der Offshore-Arbeitszeitverordnung. Zweitens durch eine Stärkung der Tarifbindung.

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