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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Grundlose Klage

Ausgabe 01/2017

Verstößt die Mitbestimmung im Aufsichtsrat gegen Europarecht? Darüber entscheidet bald der EuGH. Ein neues Gutachten hält die Behauptungen des Klägers für wenig stichhaltig.

Die deutsche Mitbestimmung kann nicht durch europäisches Recht ausgehebelt werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechtsprofessor Johann Mulder von der Universität Oslo. In seinem Gutachten bezieht er sich auf einen Fall, der aktuell durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprüft wird. Ein Kleinaktionär des Reisekonzerns TUI hatte geklagt, die Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat verstoße gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ein deutscher Arbeitnehmer mit Sitz im Aufsichtsrat könne nicht zu einer Auslandstochter seines Arbeitgebers wechseln, ohne sein Mandat zu verlieren. Dadurch sei er in der Wahl seines Arbeitsplatzes eingeschränkt. Außerdem würden Auslandsbeschäftigte deutscher Unternehmen diskriminiert, weil sie die Vertreter im Aufsichtsrat weder mitwählen noch selbst gewählt werden dürfen.

Nach Mulders Analyse sind diese Argumente nicht stichhaltig. Dass sich bestimmte Rechtsansprüche verändern, wenn Beschäftigte zu einem Betrieb in einem anderen Land wechseln, sei rechtmäßig und völlig normal. „Es kann nicht als Diskriminierung angesehen werden, wenn ein Arbeitnehmer, der ins Ausland wechselt, nicht mehr unter die Gesetzgebung seines Heimatlandes fällt“, so der Jurist. Da bislang keine europäische Gesetzgebung zur Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat existiere, gelte das jeweilige nationale Recht – und zwar für alle Beschäftigten innerhalb eines Landes unabhängig von ihrer Herkunft. Das bedeutet: Wer für ein mitbestimmtes Unternehmen in Deutschland arbeitet, profitiert von der deutschen Mitbestimmung. Sie besteht jedoch nur dort, wo deutsches Recht gilt. Auch Kündigungsschutz- oder Streikrecht richten sich nach Gesetzen des Landes, in dem Beschäftigte arbeiten, nicht nach ihrer Herkunft. Jede andere Regelung würde die Souveränität der nationalen Gesetzgeber verletzen, betont der Rechtswissenschaftler aus Oslo. Mulders Bewertung deckt sich mit der Einschätzung deutscher Arbeitsrechtler, etwa der Juraprofessoren Rüdiger Krause und Manfred Weiss.

Eine erste Anhörung beim EuGH findet Ende Januar statt. Während die deutsche und die österreichische Regierung gegen die Klage argumentieren, haben Juristen der EU-Kommission Argumente des Klägers übernommen. Bekäme er Recht, wären Arbeitnehmerrechte nicht nur in Deutschland, sondern europaweit in Gefahr, warnt Mulder.

Dass es keine EU-Gesetzgebung zur Unternehmensmitbestimmung gibt, müsse nicht so bleiben, betont der Juraprofessor. Die EU könne eine Regelung schaffen. Die europäischen Gewerkschaften haben dafür bereits vor zwei Jahren einvernehmlich einen Vorschlag gemacht: Über eine EU-Richtlinie ließe sich ein Mindeststandard für bindende Arbeitnehmerbeteiligung in Unternehmen mit europäischer Gesellschaftsform sicherstellen. Weitergehende nationale Regelungen blieben davon unberührt.

  • 635 Unternehmen haben 76er-Mitbestimmung. Zur Grafik

Bernard Johann Mulder: The law concerning the election of employees’ representatives in company bodies (pdf), Report in light of the CJEU case Konrad Erzberger v TUI AG, C 566/15, Mitbestimmungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, Januar 2017

MEHR LESEN:
Statement von Peter Scherrer, stellvertretender EGB-Generalsekretär

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