Sozialstaat: Große Mehrheit gegen Sozialabbau
Leistungen kürzen oder Teile der Sozialversicherungen privatisieren? Eine Mehrheit ist dagegen. Die meisten würden höhere Beiträge akzeptieren, um das soziale Sicherungsniveau zu halten.
Wenn die öffentlichen Finanzen angespannt sind, lassen die Vorschläge für Einsparungen im Sozialbereich nicht lange auf sich warten. Um der Bevölkerung Sozialkürzungen schmackhaft zu machen, stellen die Anhänger des schlanken Staats niedrigere Beiträge oder Steuern und größere Entscheidungsspielräume bei der privaten Vorsorge in Aussicht. Aber überzeugt das die Menschen? Gibt es größere Gruppen in der Bevölkerung, die des bestehenden Sozialstaats überdrüssig sind? Um Antworten zu finden, haben die Arbeitnehmerkammer Bremen und die Arbeitskammer des Saarlandes zusammen mit dem DGB eine repräsentative Befragung unter rund 3000 Menschen in Deutschland in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse – Stand Dezember 2024 – sind eindeutig: Der Sozialstaat findet großen Zuspruch bei den Wählerinnen und Wählern aller Parteien.
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Für ein Gemeinwesen ohne staatliche Beteiligung an der Absicherung von Lebensrisiken plädieren lediglich 3 Prozent der Befragten, 12 Prozent wollen, dass „nur ein Mindestmaß“ an sozialer Sicherung verpflichtend sein und automatisch erfolgen sollte. Dagegen sagen 52 Prozent, dass das für einen Großteil der sozialen Sicherung gelten sollte. Weitere 28 wünschen sich dies für die gesamte soziale Sicherung.
Dass die soziale Sicherung ganz oder zum größten Teil durch den Staat erfolgen soll, sagen 83 Prozent der Befragten, die eine Wahlabsicht für CDU oder CSU angegeben haben. Bei SPD und Grünen sind es jeweils 88 Prozent, bei der Linken 89 Prozent. Selbst Anhängerinnen und Anhänger von AfD und FDP wünschen sich zu mehr als zwei Dritteln einen umfassenden Sozialstaat.
Auch dass soziale Sicherheit Geld kostet, schreckt die meisten Menschen nicht. So ist die große Mehrheit der Beschäftigten bereit, höhere Rentenbeiträge zu zahlen, wenn dafür das heutige Leistungsniveau erhalten bleibt. Gleiches gilt für Gesundheitsversorgung und Pflege.
Gerade die Jüngeren schätzen den Sozialstaat offenbar: „Allen Behauptungen zum Trotz, diese Gruppe werde von der Politik benachteiligt und habe sich innerlich vom Rentensystem verabschiedet, erklärten beispielsweise 23 Prozent der Beschäftigten unter 30 Jahren, sogar zu deutlich höheren Rentenbeiträgen bereit zu sein. Das sind fast doppelt so viele wie unter allen Befragten“, heißt es in der Auswertung.
Die meisten Befragten plädieren außerdem für eine möglichst solidarische Finanzierung des Sozialstaats. So befürworten drei Viertel der Befragten eine Ausweitung des Versichertenkreises bei der gesetzlichen Rente. 52 Prozent sind für eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung, die den Beitrag für Gutverdienende deckelt. Lediglich unter den Anhängerinnen und Anhängern der FDP fand sich für diesen Vorschlag keine Mehrheit.
AK Bremen, AK Saarland, DGB: Sozialstaats-Radar 1/2025, Januar 2025