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HBS Böckler Impuls

Mindestlohn: Großbritannien: Löhne und Jobs stabilisiert

Ausgabe 19/2011

Der flächendeckende britische Mindestlohn hat seit seiner Einführung vor über zehn Jahren nirgendwo im Land Jobs vernichtet. Von 2004 bis 2006 sorgte er sogar für Beschäftigungszuwächse.

Auch in Großbritannien beschäftigen sich Wissenschaftler seit geraumer Zeit mit der Frage, welchen Einfluss ein nationaler Mindestlohn auf die Entwicklung des Arbeitsmarkts hat. Frühe Studien konnten keinen kurzfristigen Zusammenhang zwischen Lohnuntergrenze und Beschäftigungsentwicklung feststellen. Drei Forscher vom Royal Holloway College der University of London haben nun die Daten der Jahre 1997 bis 2007 ausgewertet.

Ihr Ergebnis: Britische Unternehmen haben die Einführung des Mindestlohns 1999 und dessen jährliche Erhöhungen gut verkraftet. Bislang sind keinerlei Jobs verloren gegangen. Die Einkommen in Niedriglohnbranchen sind gestiegen.

Damit decken sich die Schlussfolgerungen von Ökonomie-Professor Peter Dolton und seinen beiden Kollegen mit den Resultaten einer groß angelegten empirischen Studie aus den USA: Sämtliche Anhebungen der US-Mindestlöhne von 1990 bis 2006 kosteten keine Arbeitsplätze, so das Fazit der Forschergruppe um Berkeley-Professor Michael Reich. Fast immer verdienten Niedriglöhner anschließend besser. Dennoch seien die lokalen Beschäftigungseffekte „nicht unterscheidbar von Null“.

Entscheidender Unterschied: In den USA haben einzelne Bundesstaaten eigene – höhere – Lohnuntergrenzen festgelegt. In Großbritannien hingegen gilt für Erwachsene und Jugendliche jeweils nur ein nationaler Mindestlohn, ohne Ausnahmen. In Regionen mit allgemein geringerer Produktivität schlägt die Regelung also stärker auf die Arbeitskosten durch, da mehr Beschäftigte zu niedrigen Löhnen arbeiten.

Vernichtet eine generelle Lohnuntergrenze dort dann nicht vielleicht doch Jobs? Dieser Frage gingen die Londoner Wissenschaftler gezielt nach. Dazu teilten sie Großbritannien anhand von drei verschiedenen Prinzipien in lokale Arbeitsmärkte auf:

  • zunächst in 406 kleinräumig abgegrenzte Gebietskörperschaften,
  • dann in 140 größere regionale Verwaltungseinheiten
  • und in „travel to work areas“ – das sind geografische Einheiten, in denen 67 Prozent der Bevölkerung gleichzeitig leben und arbeiten.

Egal, wie die Einteilung gewählt wird: Der Einfluss der Lohnuntergrenze auf den Arbeitsmarkt ist neutral bis positiv. „Wenn überhaupt, dann scheint die Beschäftigungsrate in den Regionen stärker gestiegen zu sein, in denen der Mindestlohn eine größere Relevanz hat“, so die Forscher. Besonders in den Jahren 2004 und 2006 machten sie positive Effekte aus.

Ziel einer allgemeinen Lohnuntergrenze war auch, den Trend zu immer ungleicheren Löhnen zu stoppen. Dieser hatte sich in den 1980er- und 1990er-Jahren stetig verfestigt. Die Untersuchung der lokalen Arbeitsmärkte zeigt: Gerade dort, wo ein Mindestlohn besonders vielen Beschäftigten gezahlt wird, nahm auch die Ungleichheit bei den Löhnen stärker ab. Insgesamt gilt: Seit Einführung der Lohnuntergrenze ging die Ungleichheit systematisch immer weiter zurück.

  • Besonders in Kleinbetrieben erhalten viele Beschäftigte den gesetzlichen Mindestlohn. Zur Grafik
  • Britische Unternehmen haben die Einführung des Mindestlohns 1999 und dessen jährliche Erhöhungen gut verkraftet. Zur Grafik

Peter Dolton, Chiara Rosazza-Bondibene, Jonathan Wadsworth: Employment, Inequality and the UK National Minimum Wage over the Medium-Term, in: Oxford Bulletin of Economics and Statistics, August 2011

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