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HBS Böckler Impuls

Haushaltsnahe Dienstleistungen: Grauer Arbeitsmarkt in Haus und Familie

Ausgabe 14/2010

Die meisten Jobs in Privathaushalten sind nicht angemeldet. Eine Studie untersucht die Gründe - und wie die Beschäftigung im Wachstumssektor haushaltsnahe Dienstleistungen in legale Bahnen gelenkt werden könnte.

Der Bedarf an professioneller Unterstützung im Haushalt steigt. Denn mehr Frauen gehen einer Erwerbsarbeit nach. Es gibt immer mehr ältere Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Befragungen zufolge beschäftigen über vier Millionen Privathaushalte in Deutschland eine Haushaltshilfe. Putzen, waschen, Kinder betreuen, Alte pflegen - in der Regel geschieht dies ohne Arbeitsvertrag und Sozialversicherung. Im Durchschnitt liegt die Hilfe bei knapp fünf Stunden pro Woche. 90 Prozent der Beschäftigten in Privathaushalten sind weiblich, viele haben einen Migrationshintergrund, einige keine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis.

Doch wie lassen sich illegale, prekäre Jobs in sozial abgesicherte, reguläre Stellen überführen? Manuela Schwarzkopf vom Institut Arbeit und Qualifikation und Karin Gottschall, Professorin am Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen, haben untersucht, welche rechtlichen und institutionellen Anreize dazu führen, dass nur etwa zehn Prozent der Arbeitsverhältnisse in Privathaushalten angemeldet sind.

Jobs in Privathaushalten sind ein spezieller Arbeitsmarkt, der irreguläre Beschäftigung mehrfach begünstigt, schreiben die Autorinnen. Die Abgrenzung zur nicht meldepflichtigen Nachbarschaftshilfe gegen Aufwandsentschädigung sei fließend. Die "unsichtbare" Arbeit in Haushalt und Familie kann von den Kontrollbehörden kaum aufgedeckt werden. Eine spezielle Berufsausbildung ist meist nicht nötig. Für die Beschäftigten sind solche Jobs oft nicht die Haupteinkommensquelle. Verheiratete Frauen, Frauen mit Halbtagsjobs, Bezieherinnen von Sozialleistungen: Sie sind bereits sozialversichert und suchen ein finanzielles Zubrot. Viele sind dauerhaft auf das Geld angewiesen, weil das legal erzielte Haushaltseinkommen nicht zur Existenzsicherung ausreicht.

Aus Sicht der Haushalte stehen neben erhöhten Kosten vor allem bürokratische Anforderungen einer Legalisierung irregulärer Beschäftigungsverhältnisse im Weg. Allein den Meldpflichten bei den verschiedenen Sozialversicherungsträgern nachzukommen, überfordere die meisten Privathaushalte, wenn sie als Arbeitgeber fungieren, so die Studie. Ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis erfordere "eher die Übertragung an ein Steuerberatungsbüro". Etwas einfacher geht's beim Minijob: Hier genügt eine einmalige Anmeldung bei der Minijob-Zentrale. Ein weiterer Faktor, der für viele Haushalte relevant sein dürfte: Gerade bei Pflege und Kinderbetreuung stehen oft keine passenden legalen Angebote zur Verfügung.

Aus Sicht der Beschäftigten machen zahlreiche gesetzliche Regelungen einen unangemeldeten Putz- oder Betreuungsjob attraktiver als einen regulären - trotz des "erheblichen Prekarisierungspotenzials" und zum Teil "quasifeudaler Bedingungen". Was irreguläre Jobs attraktiv macht, sind für Haushaltshilfen mit deutscher Staatsbürgerschaft etwa:

  • die Zuverdienstregeln für Sozialleistungsempfänger. Beispielsweise bleiben einer Arbeitslosengeld-II-Bezieherin von 400 Euro Verdienst nur 160 Euro.
  • die eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten für Arbeitslosengeld-I-Bezieherinnen. Sie dürfen maximal 15 Stunden pro Woche arbeiten. Verdienste über 165 Euro pro Monat werden vollständig angerechnet.
  • Steuern und Sozialabgaben, die anfallen, sofern Putz- oder Betreuungsjobs mehr als 400 Euro im Monat abwerfen.

Angesichts der zum Teil komplizierten Regularien könnten Frauen "vorsichtshalber" auf geringfügige oder irreguläre Beschäftigung setzen, vermuten die Wissenschaftlerinnen. Denn ohne umfangreiche Kenntnisse des Steuer- und Sozialrechts falle es schwer, das individuelle "Kosten-Leistungs-Verhältnis" eines legalen (Zweit-)Jobs richtig einzuschätzen.

Haushaltshilfen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sehen sich noch mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert, weil sie zunächst eine Arbeitserlaubnis brauchen. Besonders hoch liegen die Hürden für Nicht-EU-Bürger.

Reguläre Beschäftigung attraktiver machen ließe sich Schwarzkopf und Gottschall zufolge auf kurze Sicht durch Vereinheitlichung und Erhöhung von Zuverdienstgrenzen für Sozialleistungsbezieher. Arbeit Suchenden aus anderen Ländern könnte der - legale - Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Das Pflegegeld könnte reformiert werden, um zu verhindern, dass die Mittel in den grauen oder schwarzen Markt fließen.

Als zentralen Ansatz zur Förderung regulärer Beschäftigung sehen die Forscherinnen den staatlich geförderten Ausbau einer kostengünstigen und bedarfsgerechten Infrastruktur zur Betreuung von Kindern und Älteren. Ergänzend könnten Dienstleistungsunternehmen kleinere Jobs in Privathaushalten zu sozialversicherten Beschäftigungen bündeln. Wegen der höheren Kosten im Vergleich zu irregulären Jobs funktioniere dies jedoch ebenfalls nur mit staatlicher Förderung, so die Autorinnen. Würden Arbeiten im Haushalt von Dienstleistungsunternehmen verrichtet statt von einer "neuen unsichtbaren Dienstbotenschicht", ließe sich das Entstehen von prekären Jobs am ehesten verhindern. 

  • Zwischen der Zahl der Haushalte, die angeben, eine Haushaltshilfe zu beschäftigen und den gemeldeten Arbeitsverhältnissen in Privathaushalten klafft eine große Lücke. Schätzungen zufolge sind nur etwa zehn Prozent der Putz- und Betreuungs-, und Pflegejobs angemeldet. Zur Grafik

Karin Gottschall, Manuela Schwarzkopf: Rechtliche und institutionelle Anreize zu irregulärer Arbeit in Privathaushalten, Studie für die Hans-Böckler-Stiftung, im Erscheinen

Zum Projekt der Forschungsförderung 

Kontakt zu den Wissenschaftlerinnen:

Karin Gottschall

Manuela Schwarzkopf

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