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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Gleichheit – ein Gewinn für alle

Ausgabe 07/2012

Umverteilen macht zufrieden: Eine Studie zeigt, dass Menschen in egalitären Gesellschaften weniger Statussorgen haben.

Wer viel Geld verdient, hat in der Regel einen hohen sozialen Status. Wer wenig Geld verdient, hat häufig Statussorgen – die Befürchtung, in den Augen der Mitmenschen wenig zu gelten. Der Soziologe Jan Delhey, Professor an der Jacobs University Bremen, hat sich in einer vergleichenden Studie mit dem Phänomen Statusunbehagen befasst. Das Ergebnis: Mehr Gleichheit erhöht in reichen Gesellschaften das Wohlbefinden – und zwar bei allen Einkommensschichten.

Bekannt geworden, schreibt Delhey, sei das Konzept des Statusunbehagens zuletzt durch die so genannte Spirit-Level-Theorie der britischen Gesundheitswissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett. Statussorgen stünden demnach in engem Zusammenhang mit einer Vielzahl sozialer Probleme wie Kriminalität, Misstrauen gegenüber Mitmenschen oder Übergewicht. Da Statusunbehagen mit der gesellschaftlichen Ungleichheit zunehme, könne letztlich nur Umverteilung diese Probleme lösen – egalitäre Gesellschaften seien die lebenswerteren Gesellschaften, so Wilkinson und Pickett.

Trotz des zunehmenden Interesses war Statusunbehagen bislang vor allem Gegenstand theoretischer Beschreibungen, psychologischer Experimente oder qualitativer Forschung. Mit seiner eigenen Studie, so der Bremer Wissenschaftler, liege nun erstmals eine repräsentative und international vergleichende Untersuchung vor. Sie basiert auf Daten des European Quality of Life Survey, einer Umfrage, die die EU-Agentur Eurofound alle vier Jahre durchführt. Neben EU-Bürgern haben Kroaten, Mazedonier, Norweger und Türken an der Befragung teilgenommen. Insgesamt sind die Antworten von mehr als 33.000 Personen aus 31 Ländern in die Untersuchung eingeflossen.

Für seine Analyse hat Delhey einen Index verwendet, der die Stärke des Statusunbehagens auf einer Skala von 0 bis 1 misst. Der Durchschnittswert aller Befragten liegt laut seinen Berechnungen etwa bei 0,3. Statusunbehagen ist für die meisten Europäer damit zwar kein massives Problem, betrifft aber mehr als nur eine kleine Minderheit.

Statusunbehagen ist abhängig vom Einkommen: Das individuelle Einkommen spielt für das untersuchte Phänomen eine wichtige Rolle: Statusunbehagen sei „unten“ stärker als „oben“, konstatiert der Soziologe. Allerdings machten sich nicht nur die Einkommensschwachen Sorgen um ihren Status. Da Reiche dazu neigten, sich mit noch Reicheren zu vergleichen, sei Statusunbehagen letztlich in allen Schichten anzutreffen.

Das Wohlbefinden leidet: Statussorgen haben der Studie zufolge messbare Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden – sie beeinträchtigen in den untersuchten Ländern sowohl die „generelle Lebenszufriedenheit“ als auch das „Glück“. Delhey geht davon aus, „dass Statusunbehagen überall zu den unangenehmen Erfahrungen des Lebens zählt, die man nicht so einfach wegsteckt“.

Mehr Unbehagen in ungleichen Gesellschaften: Im Ländervergleich fällt auf, dass gravierende Unterschiede zwischen den europäischen Nationen bestehen. In Schweden und Norwegen, erklärt der Sozialforscher, sei das Statusunbehagen mit einem Indexwert von unter 0,2 durchschnittlich halb so groß wie in Rumänien, Bulgarien oder Polen. „Statusunbehagen variiert also von Land zu Land, interessanterweise in einem ähnlichen Ausmaß wie die Einkommensungleichheit.“ Bis zu einem bestimmten Wohlstandsniveau, so die Ergebnisse der Regressionsanalyse, führe ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen zwar zu weniger Statusunbehagen. Doch in wohlhabenden Ländern sei nicht das allgemeine Einkommensniveau, sondern die Kluft zwischen Arm und Reich maßgeblich: „In egalitären Gesellschaften werden die Menschen seltener von Statusunbehagen geplagt.“

Gleichheit hilft allen: Zwar läge der Gedanke nahe, dass mehr Gleichheit in erster Linie Geringverdienern nutzt. Doch die Ergebnisse zeigen, dass in Wohlstandsgesellschaften auch die Reichen von einer ausgeglichenen Einkommensverteilung profitieren. Das Statusunbehagen, betont Delhey, sei in egalitären Gesellschaften quer durch alle Einkommensgruppen geringer: „Gleichheit ist gut für alle Einkommensschichten.“

  • Statusunbehagen variiert europaweit in einem ähnlichen Ausmaß wie die Einkommensungleichheit. Zur Grafik

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