zurück
HBS Böckler Impuls

Frauenerwerbstätigkeit: Gleiche Chancen im Beruf in weiter Ferne

Ausgabe 18/2007

In Deutschland haben es Frauen im Berufsleben so schwer wie in kaum einem anderen europäischen Land. Sie verdienen weniger, gelangen selten in Führungspositionen, arbeiten kürzer und oft unterhalb ihrer Qualifikation. Die Gleichstellung der Geschlechter kommt in der Arbeitswelt kaum voran.

Die Europäische Kommission stellt Deutschland in Sachen beruflicher Gleichstellung ein schlechtes Zeugnis aus: Frauen machen selten Karriere, arbeiten extrem oft in Teilzeit - und verdienen 22 Prozent weniger als Männer. Weiter auseinander liegen lediglich die Bruttostundenlöhne in Zypern, der Slowakei und Estland. In Deutschland nahm der Unterschied seit 1995 sogar von 21 auf 22 Prozent zu. "Diese absurde Situa-tion muss sich ändern", fordert EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla. Die Ungleichbehandlung hat viele Gründe:

  • Frauen arbeiten immer noch überwiegend in Branchen und üben Tätigkeiten aus, in denen weniger verdient wird, sind also Verkäuferin und nicht Metallbauerin.
  • Oder umgekehrt: Typische Frauenberufe werden im Schnitt schlechter entlohnt. Denn die Arbeitsbewertung in Tarifverträgen beurteilt Kompetenzen von Frauen generell geringer als diejenigen von Männern. Deshalb verdienen Kassiererinnen weniger als Lagerhausarbeiter, Krankenschwestern weniger als Polizisten.
  • "Frauentypische" Lebensläufe mit familienbedingten Erwerbsausstiegen, Teilzeitphasen und Tätigkeiten unterhalb der beruflichen Qualifikation vermindern das Erwerbseinkommen stark.
  • Frauen bleiben häufig auf den unteren und mittleren Ebenen der betrieblichen Hierarchie hängen, die Spitzenpositionen in der Wirtschaft sind fast frauenfrei.
  • Selbst bei gleicher Tätigkeit werden Frauen nicht gleich entlohnt, im Durchschnitt erhalten sie nach Zahlen des WSI-Frauenlohnspiegels auch im selben Beruf in einigen Fällen bis zu 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Diese Übersicht zeigt: Die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie erklärt die unterschiedlich hohen Einkommen von Männern und Frauen nur bedingt. Empirische Untersuchungen belegen, dass Frauen, die Kinder bekommen, in vielen Unternehmen weniger gefördert werden - denn sie gelten als schwächer engagierte Arbeitskraft.

Noch ist für viele Unternehmen eine Führungsposition untrennbar mit einer Vollzeittätigkeit verbunden, so dass sich Frauen weiterhin zwischen Kindern und Karriere entscheiden müssen. Da Frauen Kinder bekommen, wird ihnen die Verantwortung für Familienaufgaben zugesprochen, ergaben Interviews der Universität Bielefeld mit 54 Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft - darunter 22 Frauen. Ein Verbleib im Beruf führe also für Mütter zu einer Doppelbelastung. Dass auch Männer ihre Kinder erziehen könnten, kommt im Weltbild der Führungskräfte nicht vor.

In nahezu allen Industriegesellschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Frauen und zur Kinderbetreuung gewandelt. In Deutschland sind jedoch Frauen im internationalen Vergleich seltener erwerbstätig, seltener Mütter - und noch seltener beides zusammen. Größer sind die Unterschiede zwischen den Frauen mit und ohne Kinder nur noch in wenigen Staaten Osteuropas - wie Tschechien und Ungarn. Erwerbstätige Frauen und Mütter arbeiten hierzulande auch viel häufiger in Teilzeit: Innerhalb der EU-15 hat Deutschland neben Großbritannien bei Frauen die höchste Teilzeitquote.

Die vergleichsweise schwache Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt wird häufig mit den ungünstigen institutionellen Rahmenbedingungen begründet:

  • Das deutsche Steuersystem fördert über das Ehegattensplitting die Alleinverdienerehe - also den Ernährer mit nicht oder nur geringfügig erwerbstätiger Ehefrau;
  • großzügige Elternurlaubsregelungen bedingten bis zur Einführung des Elterngeldes lange Unterbrechungen oder sogar eine vollständige Aufgabe der Erwerbstätigkeit;
  • unflexible Beschäftigungsverhältnisse und ein Mangel an bezahlbarer Kinderbetreuung behindern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Doch eine stärkere, gleichberechtigte Erwerbsbeteiligung der Frauen hängt auch von den gesellschaftlichen Einstellungen zur Familie und zur Rolle der Frau ab. Europa zerfällt hier in zwei Teile, so die Eurobarometer-Daten aus dem Frühjahr 2006: Bürger der meisten westeuropäischen und nordischen Länder wünschen kaum noch, dass die Frau zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, während der Mann arbeiten geht.  In den meisten postkommunistischen wie auch südeuropäischen Ländern steckt das traditionelle Rollenbild jedoch in vielen Köpfen. Auch Deutschland ist zweigeteilt; hier sprechen sich allerdings nur 20 Prozent der Ostdeutschen für die klassische Rollenverteilung aus, aber mehr als die Hälfte der Westdeutschen.

Wo Frauen häufig höchstens als Hinzuverdienerinnen angesehen werden, halten sich auch bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Bereits in den 50er-Jahren erklärte zwar das Bundesarbeitsgericht die "Frauenabschläge" in Tarifverträgen für rechtswidrig. Seit 1980 fordert das deutsche Recht auf Basis von EU-Recht den Anspruch auf Entgeltgleichheit.

Deutsche Tarifverträge spiegeln jedoch weiterhin vielfach die gesellschaftlichen Wertungen wider: "Frauentypische" Tätigkeiten werden niedriger eingestuft als "männertypische". Die Ankündigung eines Gleichstellungsgesetzes für die deutsche Privatwirtschaft von SPD und den Grünen im Herbst 1998 mündete lediglich in eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft - offenbar bisher wenig erfolgreich. Der Länderbericht für Deutschland, den die EU-Kommission zusätzlich von deutschen Wissenschaftlern erstellen ließ, konstatiert eine "Abwesenheit jeder Strategie der Regierung und der Sozialpartner, um das Recht auf gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit umzusetzen".

In zahlreichen Ländern der EU gibt es inzwischen gesetzliche Regeln, die eine gerechtere Entlohnung schaffen sollen: In Schweden, Finnland und Dänemark müssen Arbeitgeber den Gewerkschaften oder Beschäftigten alle Informationen geben, die zur Beurteilung von möglicherweise diskriminierenden Entgeltunterschieden möglich sind. Frankreich lässt alle Arbeitgeber einmal im Jahr über die berufliche Gleichheit zwischen den Geschlechtern verhandeln und einen Jahresbericht erstellen. In Betrieben mit über 200 Beschäftigten muss der Betriebsrat eine Gleichbehandlungskommission einrichten, die den Bericht diskutiert.

Viele der europäischen Ansätze sind freiwillig. Vorbild für eine verpflichtende Lösung ist Kanada: Arbeitgeber und/oder Sozialpartner müssen in der kanadischen Provinz Ontario im Betrieb eine Lohngleichheitskommission einsetzen, die einen Plan mit den notwendigen Änderungen erstellt. Im Anschluss an die geschlechtergerechte Überarbeitung des Entgeltsystems erhalten die bisher Diskriminierten innerhalb bestimmter Fristen Ausgleichszahlungen. Parallel dazu bleibt das Entgelt der bislang Begünstigten auf dem gleichen Niveau.

  • In Deutschland ist der Lohnrückstand von Frauen größer als im EU-Durchschnitt. Zur Grafik
  • In den alten Bundesländern sind traditionelle Rollenmuster fest verankert. Zur Grafik
  • Mit den Jahren hängen Männer die Frauen beim Gehalt immer weiter ab. Zur Grafik

Christina Klenner: Gleichstellungspolitik vor alten und neuen Herausforderungen - Welchen Beitrag leistet die Familienpolitik? (pdf), in: WSI-Mitteilungen 10/2007.

Annette von Alemann: Unterrepräsentanz ohne Ende? Geschlechterungleichheit bei Führungseliten der deutschen Wirtschaft, in: WSI-Mitteilungen 9/2007.

Eva Kocher: Gleichstellungspolitik und Individualansprüche, in: Kritische Justiz, Heft 1/2007.

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen