Quelle: HBS
Böckler ImpulsGender: Gleiche Ausbildung, schlechter bezahlt
Frauen verdienen deutlich weniger als Männer - bei gleicher Qualifikation. Eine Studie der Hochschule Pforzheim zeigt: Diskriminierung hat einen erheblichen Anteil an dieser Verdienstlücke.
Verschiedene Studien belegen in Deutschland ein Lohngefälle zwischen Frauen und Männern von mehr als 20 Prozent. Als Gründe für diese Einkommensdifferenz werden Unterschiede etwa in der Ausbildung, bei Berufswahl oder Arbeitszeiten sowie längere familienbedingte Auszeiten genannt - und eine unmittelbare Diskriminierung der Frauen. Doch welche Faktoren wirken wie stark? Wissenschaftlerinnen der Hochschule Pforzheim haben diese Einflüsse in einer aktuellen Studie kontrolliert. Dabei ermittelten sie den Anteil von Diskriminierung und weiteren Faktoren zu Beginn der Berufslaufbahn.
Die Statistikprofessorin Kirsten Wüst und die Diplom-Psychologin Brigitte Burkart werteten für ihre Studie das Pforzheimer Absolventenpanel mit Daten von 3.045 Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Wirtschaft und Recht aus. Der Befund:
Trotz gleicher Ausbildung und ähnlicher Berufswahl erhielten die Pforzheimer Absolventinnen aus den Jahren 1998 bis 2008 ein im Durchschnitt um 3.000 Euro niedrigeres Einstiegsgehalt pro Jahr als ihre ehemaligen Kommilitonen. Zwar sind die Durchschnittsgehälter bei den einzelnen Studiengängen deutlich verschieden, überall verdienten Absolventinnen aber weniger als ihre Kommilitonen.
Anschließend eliminierten die Wissenschaftlerinnen in einer Regressionsanalyse weitere häufig angeführte Ursachen für das Verdienstgefälle, den so genannten Gender Pay Gap. Kriterien wie Abschlussnoten, Praktika und vorherige Berufserfahrung wurden berücksichtigt. Ihre Ergebnisse:
Bereits bei Berufsanfängerinnen errechnet sich ein um 8,7 Prozent geringerer Durchschnittsverdienst allein aufgrund ihres Geschlechts. "Frauen wird bei gleicher Qualifikation schlichtweg weniger Einstiegsgehalt angeboten - sei es aufgrund erwarteter zukünftiger Erwerbsausfälle wegen Kindererziehung oder anderer Gründe", so die Autorinnen.
Frauen punkten mit besseren Noten. Die Faktoren Abschlussnote, Auslandserfahrung, Lehre und Mobilität haben neben dem Geschlecht ebenfalls Einfluss auf das Einstiegsgehalt, so die Studie. Bei Noten und Auslandsaufenthalt während des Studiums waren die Frauen deutlich besser qualifiziert. Dadurch liegt der reale Lohnunterschied in der Praxis "nur" noch bei 7,9 Prozent - immer noch deutlich zu viel. Von den Studentinnen konnten 48,6 Prozent eine Abschlussnote von 2,0 oder besser vorweisen. Bei den Männern waren es lediglich 37,1 Prozent. Männliche Studierende hatten lediglich häufiger eine Lehre vor dem Studium absolviert und sich etwas öfter bundesweit beworben.
Schon der Berufseinstieg an sich ist für Frauen schwieriger. Während 52 Prozent der Absolventen zum Zeitpunkt der Befragung, kurz nach Studienende, bereits eine Stelle gefunden hatten, waren es unter den Absolventinnen nur 44 Prozent. Und das trotz formal besserer Voraussetzungen der Frauen.
Gehaltsunterschiede wachsen mit den Berufsjahren. Vier bis neun Jahre nach dem Studium hatten sich die Gehälter der Befragten deutlich weiter auseinander bewegt. Rund 20 Prozent lag das Gehalt der Absolventinnen im Schnitt unter dem ihrer ehemaligen Kommilitonen. Dementsprechend fühlten sich die nach einigen Jahren im Berufsleben erneut befragten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auch benachteiligt: Das "richtige Geschlecht" zu haben, beurteilten 28,5 Prozent der Pforzheimer Absolventinnen als wichtig für das berufliche Fortkommen, aber nur 5,9 Prozent der Absolventen.
"Diskriminierung muss zur Erklärung von Lohndifferenzen herangezogen werden", resümieren Wüst und Burkart ihre Forschungsergebnisse. Als weitere Erklärung für einen Teil des Gehaltsgefälles bei den Pforzheimer Studierenden sei zudem eine Selbstselektion denkbar. Möglicherweise wählten Frauen bereits beim Berufseinstieg eher eine Stelle, die sich später besser mit einer Familie vereinbaren lasse oder Teilzeitarbeit ermögliche und verzichteten dafür auf ein höheres Gehalt sowie Aufstiegschancen, erklären die Forscherinnen. Dies ließe sich aber durch einen Ausbau von Betreuungsangeboten verhindern. "Wenn Frauen nicht mehr auf ein Angebot von Teilzeitstellen seitens der Arbeitgeber angewiesen sind, wird auch ihre Selbstselektion wegfallen." Zudem würde ein moderneres Rollenverständnis der Männer helfen, so Wüst und Burkart. Wären für Väter Erwerbsunterbrechungen und Teilzeit zugunsten der Familie ebenso selbstverständlich wie für Mütter, könne dies "die Karrierechancen von Frauen deutlich verbessern".
Kirsten Wüst, Brigitte Burkart: Womit haben wir das verdient? Weniger Geld bei besserer Leistung, in: WSI-Mitteilungen 6/2010.