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Gewinnanstieg treibt die Preise Böckler Impuls

Inflation: Gewinnanstieg treibt die Preise

Ausgabe 15/2023

Stark steigende Unternehmensgewinne tragen erheblich zu den allgemeinen Preissteigerungen in Deutschland bei, zeigt eine IMK-Studie.

Das kräftige Wachstum bei den Unternehmensgewinnen in einigen Branchen ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Inflation in Deutschland seit Anfang 2021 stark angestiegen ist und das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank weit überschreitet. Neben den Preisschocks bei Energie- und Nahrungsmitteln infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine haben solche Profitsteigerungen wesentlichen Anteil an den hohen Teuerungsraten, während steigende Lohnstückkosten eine nur untergeordnete Rolle gespielt haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue IMK-Studie. Trotz der deutlichen gesamtwirtschaftlichen Wirkung konzentriert sich das Phänomen auf einen relativ kleinen Teil der Wirtschaft, schreiben die Forschenden. Auffällig sei der Anstieg der nominalen Stückgewinne in vier Wirtschaftsbereichen: im Baugewerbe, im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe sowie, etwas abgeschwächt, in der Kategorie „produzierendes Gewerbe ohne Bau- und verarbeitendes Gewerbe“, zu der die Energieerzeugung zählt, und in der Landwirtschaft.

Vor allem in den ersten beiden Bereichen sind die Gewinne laut IMK nicht nur stark gewachsen. Sie stiegen auch stärker als in anderen europäischen Ländern und ihre Entwicklung lief jener der Löhne voraus, so dass man hier von einer durch Gewinnsteigerungen induzierten Inflation sprechen könne. In anderen Branchen, etwa weiten Teilen der Industrie, stiegen die Gewinnmargen dagegen lediglich moderat, so dass von ihnen kein besonderer Inflationsdruck ausging. 

Eindeutige Ursachen für die außergewöhnlichen Gewinn­anstiege lassen sich bislang noch nicht identifizieren, weil dafür noch nicht genügend aktuelle Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) vorliegen. Weitgehend ausschließen können die Forschenden allerdings die These einer Überschussnachfrage als zentraler Ursache. Dieser These widerspreche die Nachfrageentwicklung in den besonders durch Gewinnanstiege geprägten Wirtschaftsbereichen, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IMK. 

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Gemeinsam haben die vier Branchen auffällig starke Gewinnsteigerungen, bei denen die Profite in der Spitze um knapp 50 bis fast 100 Prozent gegenüber 2019 hochschnellten. Im Detail unterscheidet sich die Gewinnentwicklung zwischen den Branchen dabei im zeitlichen Ablauf sowie in der Stärke erheblich. So kam es in der Landwirtschaft recht früh zu einem drastischen Ausschlag, auf den bald eine Normalisierung folgte. In den drei übrigen Wirtschaftsbereichen dauerte die Gewinnrallye deutlich länger – sie scheint ihren Höhepunkt mittlerweile aber ebenfalls überschritten zu haben, diagnostiziert das IMK. 

Andere Forschende, die in Deutschland, Europa oder den USA ebenfalls eine „Gewinninflation“ beobachten, haben diverse Hypothesen zur Erklärung aufgestellt. Zu den deutschen VGR-Daten passen diese Modelle aber nur bedingt. Am ehesten sind die Beobachtungen kompatibel mit der These von den impliziert – also ohne formale Kartellabsprachen – koordinierten Preiserhöhungen von Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht, für die Isabella Weber und Evan Wasner in den USA einige Indizien gefunden haben. Dies stehe in Deutschland „durchaus mit den aggregierten Daten in Einklang“, schreiben die IMK-Fachleute. Allerdings stelle sich die Frage, warum es gerade in den genannten Branchen zu koordiniertem Handeln gekommen sein soll. Denn während etwa der Einzelhandel tatsächlich stark konzentriert ist, sind Gastgewerbe oder Baubranche eher durch kleine Unternehmen geprägt. Generell fehlten für eine vertiefte Analyse noch die nötigen Daten, konstatieren die Forschenden. Ihr Fazit daher: Die Gewinninflation ist eine Realität, auch wenn sie sich langsam abzuschwächen scheint und derzeit noch nicht befriedigend erklärt werden kann, wie sie zustande kommt.

Sebastian Dullien, Alexander Herzog-Stein, Ulrike Stein: Gewinninflation: Realität oder Fata Morgana?, IMK-Report Nr. 185, September 2023

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