Quelle: HBS
Böckler ImpulsPrävention: Gesund bleiben im Job
Wirkungsvolles betriebliches Gesundheitsmanagement fällt nicht vom Himmel. Arbeitgebende und Beschäftigtenvertretung müssen Strukturen aufbauen – und weiterentwickeln.
Wer kennt BEM? Im Gesetz steht das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) seit 20 Jahren, doch wirklich präsent sind seine Möglichkeiten – und seine Notwendigkeit – noch immer nicht. Im Kern geht es darum: Wenn Beschäftigte mehr als sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten krank waren, ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin unter anderem verpflichtet, sie zu einem Verfahren einzuladen, in dem eruiert wird, was gegen erneute Arbeitsunfähigkeit getan werden kann. Dazu werden Gespräche geführt und auf den Einzelfall abgestimmte Maßnahmen entwickelt. Es kann etwa um ergonomische Verbesserungen am Arbeitsplatz, vorübergehende oder dauerhafte Verkürzung der Arbeitszeit oder die Beantragung einer Kur gehen. Auch eine Versetzung in einen anderen Bereich kommt infrage. Betriebs- oder Personalräte stehen ihnen dabei immer zur Seite, wenn die Betroffenen es wünschen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, die Interessenvertretung der Beschäftigten über jeden Fall frühzeitig zu informieren. Die Vertretungen „wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm obliegenden Verpflichtungen erfüllt“, wie es im Neunten Sozialgesetzbuch heißt.
Es bietet sich an, den Rahmen per Betriebsvereinbarung abzustecken und die konkreten Arbeitsstrukturen nach und nach weiterzuentwickeln. So ist es in der öffentlichen Verwaltung des Bundeslandes Bremen geschehen, wie eine Untersuchung des Experten für betriebliches Gesundheitsmanagements Holger Wellmann für das I.M.U. zeigt.
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Für die Bremer Verwaltung mit ihren 33 000 Beschäftigten von der Kita bis zur Friedhofsverwaltung spielt BEM eine wichtige Rolle. Nicht nur, weil öffentliche Arbeitgeber eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion haben, wenn es darum geht, gesetzliche Vorschriften mehr als nur halbherzig zu erfüllen. Der Krankenstand ist wie in anderen öffentlichen Verwaltungen eher überdurchschnittlich. Der Fachkräftemangel führt in manchen Bereichen bereits dazu, dass ältere Kolleginnen und Kollegen aus dem Ruhestand zurückgeholt werden. Und auch durch die Ausweitung der Lebensarbeitszeit gewinnt Gesundheitsprävention an Bedeutung.
Die Entwicklung von BEM-Prozessen reicht zurück bis ins Jahr 2006. In der Anfangsphase gab es Pilotprojekte, aber auch „große Unsicherheit über den Sinn und Zweck des BEM“. Die einzelnen Dienststellen versuchten, Wege zu finden, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen, es fehlte aber ein Gesamtkonzept. Die Unzufriedenheit mit dieser Situation mündete 2009 in eine Dienstvereinbarung zwischen Gesamtpersonalrat und dem Land Bremen zum BEM in der Bremer Verwaltung. Eine weitere Vereinbarung zum umfassenderen Thema betriebliches Gesundheitsmanagement folgte. Damit war es jedoch nicht getan. Die verschiedenen Handlungsfelder mussten „kontinuierlich ausgebaut und mit Leben gefüllt werden“. In Sachen BEM wurde bis 2012 eine Handlungshilfe für die konkrete praktische Umsetzung entwickelt. Dabei wurde auch festgelegt, dass die Prozesse alle fünf Jahre überprüft werden müssen.
Ein Ergebnis der ersten Evaluationsrunde: Es ist nicht hilfreich, die BEM-Gespräche von den jeweiligen Vorgesetzten führen zu lassen, die im Regelfall nicht ausreichend im Thema sind. Stattdessen gibt es heute speziell geschulte BEM-Teams und BEM-Beauftragte. Dies hat den Recherchen zufolge auch das Vertrauen der Beschäftigten gestärkt. Ein wichtiger Aspekt, schließlich geht es in BEM-Gesprächen oft um sehr persönliche Dinge. Weitere Vorzüge: Die Beauftragten werden umso kompetenter, je mehr Fälle sie bereits bearbeitet haben. Außerdem verbessern sich Dokumentation und Kommunikation. Dies ist durchaus ein schwieriger Punkt. Denn einerseits will aus Datenschutzgründen gut überlegt sein, welche Informationen weitergegeben und gespeichert werden. Andererseits ist eine Herangehensweise nach dem Motto ,alles besprochen, Fall erledigt‘ auch keine gute Lösung.
Der Aufbau einer aussagekräftigen und transparenten BEM-Statistik nützt im Übrigen nicht nur den professionell für das Thema Zuständigen. Sie führt letztlich „in vielen Dienststellen zu einer verbesserten Sichtbarkeit und mehr Engagement für das BEM“, wie die von Wellmann Befragten berichten. Ebenso wie sprachlich verbesserte Anschreiben, Broschüren und Informationsvideos, die im Laufe der Zeit entstanden sind.
Eine tragende Rolle beim BEM spielte stets der Personalrat. Und zwar nicht nur phasenweise bei der Erarbeitung zugehöriger Dokumente, sondern auch im operativen Geschäft. Vertreterinnen und Vertreter des Gesamtpersonalrats bringen sich immer wieder ein und werden regelmäßig als Vertrauenspersonen hinzugezogen. Dies ist Wellmanns Untersuchung zufolge gerade dort wichtig, wo BEM-Prozesse vorzeitig abzubrechen drohen oder andere Schwierigkeiten auftreten. Außerdem hat der Personalrat einen guten Überblick über den Gesamtbetrieb und kann helfen, „andere Einsatzbereiche in anderen Dienststellen zu finden, wenn Menschen nicht mehr in ihrem Bereich arbeiten können“.
Holger Wellmann: BEM als Anstoß für gesundes Arbeiten, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, I.M.U., Nr. 35, März 2024