Quelle: HBS
Böckler ImpulsWirtschaftspolitik: Gespaltener Kontinent
Die erste Option bedeutet ein Europa, das auf den Marktmechanismus und strikte Haushaltsregeln für die Politik setzt; eine zentral koordinierte Wirtschaftspolitik und die Vergemeinschaftung öffentlicher Schulden kommen nicht infrage. Dieses Konzept ist im Wesentlichen bereits umgesetzt, vor allem Finnland und Deutschland machen sich dafür stark. Die Fiskalunion – besonders von Italien, aber auch von Frankreich unterstützt – würde dagegen eine deutliche Weiterentwicklung erfordern. Am Ende stünden ein gemeinsamer Haushalt und eine koordinierte Wirtschaftssteuerung. Einige Länder wären zumindest zu einer Fiskalunion mit Abstrichen bereit. Dieses Lagebild ergibt sich aus einer Analyse von Björn Hacker und Cédric Koch, die die Beiträge der einzelnen Länder zum 2015 von Jean-Claude-Juncker vorgelegten Bericht „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“ untersucht haben. Die Experten von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft sehen derzeit keine Impulse, die Europa wesentlich voranbringen würden. Die Befürworter der Fiskalunion verträten zwar einen größeren Teil der europäischen Bevölkerung, sie seien aber wirtschaftlich geschwächt und bisher nicht in der Lage gewesen, sich auf ein konkretes gemeinsames Programm zu einigen. Die Verfechter der Stabilitätsunion seien hingegen argumentativ in der Defensive, da sie kaum eine überzeugende Reformperspektive anzubieten hätten. So bestehe die Gefahr, „dass sich entlang der hier identifizierten Linie die bereits im akuten Krisenmanagement sichtbare Spaltung der Eurozone oder der EU insgesamt vertieft“.Die europäische Integration kommt nicht voran, solange sich keine klare Mehrheitsmeinung oder gar ein allgemeiner Konsens in der Frage nach dem angestrebten Ziel herausgebildet hat: „Stabilitätsunion“ oder „Fiskalunion“?
Björn Hacker, Cédric M. Koch: Was wird aus der Eurozone? Eine Landkarte der Interessenkonflikte zur Reform der Währungsunion (pdf), IMK-Study Nr. 52, November 2016