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Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung Böckler Impuls

Wohnungspolitik: Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung

Ausgabe 20/2021

Bezahlbarer Wohnraum für alle lässt sich nur durch politische Steuerung erreichen. Nötig sind neue Konzepte der Förderung und eine vorausschauende kommunale Bodenpolitik.

Wohnen droht für viele Menschen in Deutschland zum Luxus zu werden: Die Mieten in den Ballungszentren seien in den vergangenen Jahren „förmlich explodiert“, erklärt Dirk Löhr. Wer nicht zu den Großverdienern gehört, habe oft wenig Aussicht auf eine bezahlbare Bleibe. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Hochschule Trier hat sich in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie mit den Ursachen dieser Entwicklung auseinandergesetzt und analysiert, wie die Politik gegensteuern kann. Für ein geeignetes Ins­trument hält er unter anderem die „neue Wohnungsgemeinnützigkeit“. Den Kommunen empfiehlt er, Bodenvorräte anzulegen und das Erbbaurecht intelligent einzusetzen.

Ein wichtiger Grund für die Engpässe am Wohnungsmarkt seien die Zuzüge in die großen Städte in den vergangenen Jahren, schreibt Löhr. Die Einwohnerschaft der Großstädte habe allein zwischen 2011 und 2017 um 1,3 Millionen zugenommen. Junge Menschen ziehe es dorthin wegen der Universitäten und Freizeitangebote, Geflüchtete unter anderem, weil die Chance größer ist, Landsleute zu treffen. Vor allem aber habe der Wirtschaftsboom im vergangenen Jahrzehnt gut bezahlte Fachkräfte in die Ballungszentren gelockt.

Der steigenden Nachfrage nach Wohnraum steht der Studie zufolge ein „wenig elastisches Angebot“ gegenüber: Bauland in den Großstädten sei knapp, zudem werde es bisweilen zu Spekulationszwecken zurückgehalten. Mehr Neubau von Wohnungen sei zwar wichtig, aber wenn derzeit gebaut werde, dann vor allem im „hochpreisigen Segment“. Dass es dabei zu „Sickereffekten“ kommt, also weniger Betuchte von diesen Neubauten indirekt profitieren, weil günstige Wohnungen frei werden, sei keineswegs ausgemacht. Denn in angespannten Wohnungsmärkten seien Mieterwechsel oft Anlass zu kräftigen Mieterhöhungen.

Der Staat muss eingreifen

Allein auf private Neubauten zu setzen, wäre laut Löhr aber auch deshalb verfehlt, weil sowohl der Nachverdichtung in den Städten als auch der Neuausweisung von Flächen im Umland wegen ökologischer Bedenken und bürokratischer Hürden oft enge Grenzen gesetzt sind. Stattdessen müsse der Staat die Preise für das Wohnen direkt beeinflussen, um soziale Verwerfungen zu verhindern.

Zum traditionellen Instrumentenkasten der Wohnungspolitik gehört die „Subjektförderung“ in Form des Wohngelds, also eines staatlichen Zuschusses zur Miete. Der Vorteil bestehe darin, dass die Begünstigten selbst ein Interesse daran haben, sich eine kostengünstige Unterkunft zu suchen, so der Forscher. Allerdings gebe es einen entscheidenden Haken: In ohnehin heiß gelaufenen Wohnungsmärkten werde die Preisdynamik weiter angeheizt.

Ein Mittel, diese Dynamik zu bremsen, seien Mietpreisregulierungen. Entsprechende Eingriffe seien in bestimmten lokalen Märkten unentbehrlich, schreibt Löhr. Die geltende Mietpreisbremse habe sich allerdings als wenig effektiv erwiesen. Ein Grund: Die Einhaltung werde nicht staatlich kontrolliert, stattdessen müssten die Betroffenen selbst vor Gericht ziehen – wovor die meisten in angespannten Wohnungsmärkten aber zurückschrecken dürften. Zudem sei das Instrument „wenig zielgenau“, weil es auch reichen Mietern und Mieterinnen zugutekommt.

Den Bestand fördern

Grundsätzlich besser geeignet sei daher die „Objektförderung“, so der Ökonom. Er verweist auf die lange Tradition des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland. In der Spitze seien etwa 80 Prozent aller Neubauten staatlich gefördert worden. Der Bestand an Sozialwohnungen sei allerdings von rund 4 Millionen in den 1980er-Jahren bis auf 1,2 Millionen im Jahr 2018 zusammengeschrumpft. Da die Mieten mittlerweile selbst vielen Angehörigen der unteren Mittelschicht über den Kopf wachsen, sei das viel zu wenig. Um den Mangel zu lindern, sei es wichtig, als Gegenleistung für eine zeitweilige Mietpreisbindung nicht nur Neubauten zu fördern, sondern auch die energetische Modernisierung von Gebäuden oder den familien-, alters- oder behindertengerechten Umbau.

Als ein Beispiel für ein innovatives Förderkonzept nennt Löhr die „neue Wohnungsgemeinnützigkeit“. Im Kern geht es darum, dass Körperschaften neben sozialer Wohnraumförderung auch steuerliche Vergünstigungen und bevorzugten Zugang zu Bauland erhalten, wenn sie unbefristet Höchstgrenzen für Mieten und Renditen akzeptieren. Als Anreiz für effizientes Wirtschaften böte es sich laut dem Wissenschaftler an, als Mietgrenze die ortsübliche Miete abzüglich einer bestimmten Prozentzahl festzusetzen. Denkbar wäre es zudem, unterschiedliche Mieten für verschiedene Einkommensklassen zuzulassen, sodass beispielsweise auch Haushalte zum Zug kommen, deren Einkommen knapp über der Grenze für einen Wohnberechtigungsschein liegt. Ein ergänzender Ansatz wären die sogenannten Gemeinwohlwohnungen. Hier sind Steuerbefreiungen vorgesehen, wenn private Vermieter und Vermieterinnen sich auf eine Deckelung der Miete für bestehende Wohnungen einlassen. 

Die Kommunen brauchen Bodenvorräte

Ein weiterer Schlüssel für die Steuerung des Wohnungsmarktes ist der Studie zufolge eine stärkere Kontrolle des Bodenmarktes. Um zyklische Anspannungen abzupuffern, seien kommunale Bodenvorräte nötig. Finanzschwächere Gemeinden sollten dafür Unterstützung aus einem Landes- oder Regionalfonds erhalten.

Wenn städtisches Bauland vergeben wird, sollte zudem grundsätzlich das kommunale Erbbaurecht zum Einsatz kommen, empfiehlt Löhr. Dabei wird das Recht, auf einem Grundstück ein Gebäude zu errichten und zu nutzen, für einen begrenzten Zeitraum gegen Erbbauzinszahlungen vergeben, beispielsweise für 80 Jahre. Richtig angewendet, habe das Erbbaurecht sowohl für die Gemeinde als auch für Investoren Vorteile: Die öffentliche Hand komme in der Regel zu günstigeren Konditionen an Kapital als private Unternehmen, die das Bauland ja sonst erwerben müssten. Neben dem Grundstück kann sie auch diesen Vorteil in das Erbbaurechtsprojekt einbringen. Umgekehrt könnten die Privaten besser mit Risiken umgehen und mehr unternehmerische Initiative entwickeln als die Kommunen. Per Vertrag lasse sich auch eine langfristige Mietpreisbindung festschreiben. Damit sich das für beide Seiten rechnet, müssten die Erbbauzinssätze allerdings marktgerechter – also eher niedriger – angesetzt werden, als das zurzeit oft passiert. 

Wünschenswert wäre es aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers darüber hinaus, in der Wohnungspolitik eine starke regionale Handlungsebene zu etablieren. Zurzeit gebe es erhebliche regionale Unwuchten: Während in den Ballungszentren die Mieten durch die Decke gehen, stünden in ganz Deutschland etwa 1,9 Millionen Wohnungen leer. Um die Großstädte zu entlasten, brauche es eine koordinierte Entwicklungsplanung, die auch das Umland einbezieht. Zudem gelte es, Kommunen bei ihren Bemühungen um bezahlbaren Wohnraum finanziell und mit Know-how zu unterstützen. Vorhandene Erfolgsmodelle wie der kommunale Wohnungsbau und Genossenschaften sollten weiter gestärkt werden.

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