Quelle: HBS
Böckler ImpulsEuro: Gemeinsame Währung braucht Fiskalunion
Eine Währungsunion kann nur dauerhaft funktionieren, wenn die Währung durch einen Souverän, eine zentrale politische Autorität gestützt wird. Das zeigt die Geschichte. Für den Euro bedeutet das: An die Stelle des Fiskalpakts müsste ein gesamteuropäischer Souverän mit fiskalischen und monetären Befugnissen treten.
Nationalstaaten mit eigenen Währungen sind der Normalfall der Wirtschaftsgeschichte. Dennoch hat es immer wieder Zusammenschlüsse mit gemeinsamer Währung gegeben. Allerdings sind sie häufig wieder zerfallen. Nämlich dann, wenn die Mitgliedsländer nur die Geldpolitik zentralisiert haben, die Fiskalpolitik aber dezentral blieb. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse des Ökonomen Hubert Gabrisch vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Als dauerhaft erwiesen sich gemeinsame Währungen dagegen, wenn auf das einheitliche Geld auch ein politischer Zusammenschluss folgte, so Gabrisch.
Der Forscher listet eine Reihe von Beispielen für gescheiterte Währungsunionen auf: die Lateinische Münzunion zwischen Frankreich, Belgien, Italien, der Schweiz und Griechenland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder die Skandinavische Münzunion aus derselben Epoche; die 1993 zerfallene Rubelzone oder die tschechisch-slowakische Währungsunion. Zwar seien die politischen und ökonomischen Umstände des Scheiterns in jedem Fall andere gewesen, schreibt Gabrisch. Aber eine Gemeinsamkeit sei unübersehbar: Diesen Währungsräumen fehlte „der gemeinsame Staat oder, anders ausgedrückt, eine staatliche Union mit zentraler Finanzbehörde, die gemeinsam mit der Zentralbank verantwortlich für die Währung und ihre Stabilität ist“.
Als Positivbeispiele nennt der IWH-Forscher den US-Dollar, auf dessen Entstehung die politische Union folgte, oder die Einführung der D-Mark in der früheren DDR. Aus diesen und anderen Fällen folgert er: „Die notwendige Bedingung für eine souveräne Währung ist ein Staat, der mit seiner Steuerkraft hinter dieser Währung steht.“ In der Europäischen Währungsunion würden die Staaten mit der größten Steuerkraft, vor allem Deutschland, die Verantwortung für die gemeinsame Währung jedoch ablehnen. Daher stehe die Eurozone einem der Hauptprobleme von Währungsunionen hilflos gegenüber: der „Spaltung in Gläubiger- und Schuldnerstaaten“.
Wie es dazu kommt, erklärt der Wissenschaftler so: Mit der Einführung einer gemeinsamen Währung entsteht ein einheitlicher Finanzmarkt. Die Zinsen gleichen sich an – obwohl sich am Wohlstandsgefälle zwischen einzelnen Regionen nichts geändert hat. Das löst Kapitalströme in die wirtschaftlich schwächeren Gebiete aus, weil deren Unternehmen und Regierungen nun an viel günstigere Kredite kommen als früher. Die Leistungsbilanzen geraten aus dem Lot. Und „in dem Moment, in dem die Finanzmärkte die fehlende Tragfähigkeit der Schuldnerpositionen erkennen, zerfällt der Finanzmarkt wieder in seine regionalen Bestandteile“, so Gabrisch. Die Zinssätze streben auseinander. Die Risikoprämien für die Schuldnerländer können in ruinöse Höhen steigen, weil kaum jemand ihnen weiteres Geld leihen will. In einem „souveränen Währungsraum“ würde nun das Finanzministerium einschreiten und die klammen Regionen unterstützen – wie es in Deutschland etwa mit dem Solidarpakt für die neuen Länder geschieht.
Bei der Konstruktion der Europäischen Währungsunion sind allerdings keine vergleichbaren Instrumente geschaffen worden. Der IWH-Forscher führt dies auf den „Marktfundamentalismus“ einflussreicher Ökonomen zurück: In der so genannten Theorie optimaler Währungsräume komme der Staat einfach nicht vor. Hier gehe es nur um die Flexibilität der Arbeitsmärkte, den Abbau von Handelsschranken und die Unabhängigkeit der Zentralbank.
Die aktuelle Krise ließe sich laut Gabrisch nur überwinden, wenn der Europäischen Zentralbank eine europäische Fiskalbehörde an die Seite gestellt würde, die über hinreichende Steuermittel verfügt, um eine Stabilisierungsfunktion wahrnehmen zu können. Der kürzlich eingeführte Fiskalpakt, der Südeuropa trotz Rezession zu weiteren Einsparungen zwingt, sei kein sinnvoller Schritt in Richtung einer Fiskalunion. Im Gegenteil: Er ziele darauf ab, „die letzten Spielräume für eine funktionale Finanzpolitik zu beseitigen“ und würde die wirtschaftliche Spaltung in Gläubiger- und Schuldnerstaaten bei schrumpfender Wirtschaft des gesamten Euroraums noch vertiefen.
Hubert Gabrisch: Währung ohne Souverän: Zur Ursache und Überwindung der Euro-Krise. In: Leviathan 1/2013.