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HBS Böckler Impuls

Rente: Für viele wird es im Alter knapp

Ausgabe 09/2009

Vielen Beschäftigten droht im Alter ein Leben in Armut. Das Problem ließe sich eindämmen - durch eine Ausweitung der Rentenversicherung auf Selbstständige sowie mehr Mindestsicherung.

Ältere Menschen sind heute seltener arm als jüngere. Ende 2006 bekamen lediglich 2,3 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland Grundsicherung im Alter. Ist Altersarmut also kein Problem? Simone Leiber vom WSI warnt davor, die Situation der heutigen Rentnergeneration mit der künftiger Ruheständler zu verwechseln. Die niedrige Armutsquote der Rentner belegt zwar, dass das Rentensystem in der Vergangenheit vergleichsweise gut funktioniert hat - also als die heutigen Rentner ihre Anwartschaften erworben haben. Das gelte für künftige Rentner aber nicht mehr. Einem großen Teil der heute Erwerbstätigen fällt es schwer, Rentenansprüche oberhalb des Sozialhilfeniveaus anzusammeln. Das betrifft vor allem Beschäftigte, die lange wenig verdienen oder wegen Arbeitslosigkeit, Pflegearbeit oder vorübergehender Selbstständigkeit nicht konstant in die Rentenkasse einzahlen. Ihnen droht im Alter ein Leben in Armut.

Das Thema Altersarmut kehrt zurück. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt - mehr atypische Jobs und mehr Niedriglöhne - machen sich bemerkbar. Aber auch die Rentenreformen der vergangenen Dekade tragen dazu bei. Sie haben die Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Alterssicherungssystems deutlich eingeschränkt. "Durch längerfristiges, jedoch einschneidendes Absenken des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Ziel der Lebensstandardsicherung nur noch im Zusammenspiel der Säulen aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge erreichbar", so Leiber.

Die Zahl der erforderlichen Beitragsjahre für eine Rente auf Sozialhilfe-Niveau  wird ansteigen. Wer 2030 in Ruhestand geht und im Laufe seines Erwerbslebens 75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens erzielt, wird erhebliche Probleme haben, eine Rente in Grundsicherungs-Höhe zu bekommen. Wer nur die Hälfte verdient, hat keine Chance.

Private und betriebliche Vorsorge können das kaum ausgleichen: Niedriglöhner und Arbeitslose sind selten in der Lage, in einen Riestervertrag einzuzahlen. Und gerade sie haben oft keinen Zugang zu betrieblichen Pensionskassen.

Unvermeidlich ist die Zunahme der Altersarmut dennoch nicht, so die Wissenschaftlerin: "Die Politik hat eine Vielzahl von bislang noch nicht ausgeschöpften Handlungsoptionen." Um Altersarmut vorzubeugen, sei es sinnvoll, vor ­allem die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken. Die Sozialexpertin des WSI nennt zwei Ansatzpunkte. Der Gesetzgeber könnte mindestsichernde Elemente einführen und den Versichertenkreis ausweiten. "Mit der Kombination könnte man schon vieles verbessern", sagt Leiber.

Ausgleich für Geringverdiener. In Deutschland gibt es ­einen engen Zusammenhang zwischen den Ein- und Auszahlungen in die Rentenkasse. Das so genannte Äquivalenzprinzip sorgt zwar für eine hohe Legitimation der Pflichtversicherung, kann aber auch zum Problem werden, wenn die Rente für viele nicht höher als die Sozialhilfe ist. Leiber verweist auf Länder, die Ausgleichsmechanismen speziell für Geringverdiener haben. Grund- oder Mindestrenten seien in Europa gängig. Leiber empfielt ein Mindestsicherung auch für die deutsche Rentenversicherung.  Diese käme "jenen zu Gute, die zu den langjährig versicherten, niedrig entlohnten Beschäftigten gehören". Bei den Anspruchs-Voraussetzungen für diese Mindestsicherung sollten Phasen der Arbeitslosigkeit, der Teilzeit oder Familienarbeit mit berücksichtigt werden, auch um Frauen nicht zu benachteiligen.

Versicherung ausweiten. Von Altersarmut sind vor allem Beschäftigte bedroht, die nicht konstant in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Darum rät Leiber zu einer Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf alle ­Erwerbstätigen, insbesondere auf Solo-Selbstständige mit geringem Einkommen. Zudem könnten die Rentenanwartschaften von Arbeitslosen, Auszubildenden und Pflegepersonen erhöht werden.

  • Geringverdiener: geringe Chance auf ausreichende Rentenansprüche Zur Grafik
  • In Dänemark sind auch Geringverdiener im Alter gut abgesichert. Zur Grafik

Simone Leiber: Armutsvermeidung im Alter: Handlungsbedarf und -optionen, in: Hans-Jürgen Urban u.a. (Hg): Der Neue Generationenvertrag: für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung, im Erscheinen.
mehr zum Forschungsprojekt

Simone LeiberArmutsvermeidung im Alter: Handlungsbedarf und Handlungsoptionen (pdf), Diskussionspapier Nr. 166, Juni 2009

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