Quelle: HBS
Böckler ImpulsGender Global: Frauenfrühling in Sichtweite
Internationale Initiativen, vor allem der Vereinten Nationen, haben die Rolle der Frau in vielen Ländern der Welt gestärkt. Bis zu echter Chancengleichheit ist der Weg jedoch noch weit.
Wie wirkt sich die Globalisierung auf Chancen und Rechte von Frauen aus? Ilse Lenz, Professorin für Sozialwissenschaft an der Universität Bochum, zeichnet ein differenziertes Bild. Tendenz leicht positiv.
Politik: In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Zugang von Frauen zu politischen Entscheidungspositionen verbessert. Dennoch liegen sie noch weit hinter den Männern zurück: Weltweit sind erst 16,5 Prozent der Abgeordneten in den nationalen Parlamenten weiblich. Mit einer Quote von 40 Prozent liegen die nordischen Länder vorn, arabische Staaten bilden mit 7 Prozent das Schlusslicht. In Regierungsämtern sind Frauen seltener anzutreffen als in Parlamenten: Im Weltdurchschnitt sind nur 8 Prozent der Regierungsmitglieder weiblich.
Von einer Feminisierung der Parlamente oder gar Geschlechtergleichheit könne zwar nur in Ausnahmefällen gesprochen werden, trotzdem kündige sich ein "Frauenfrühling" an, so die Forscherin. An vielen Orten sei ein Bewusstseinswandel auszumachen: Es werde über die Geschlechterfrage diskutiert und die Frauenanteile stiegen. Ausnahmen seien einige neue männlich geprägte "Biotope" in Osteuropa, beispielsweise Russland, die Ukraine oder Ungarn.
Bildung: Mitte der 90er-Jahre konnten 80 bis 90 Prozent der Mädchen in Lateinamerika, Ost- und Zentralasien zur Schule gehen. Auch in Nordafrika und im Nahen Osten haben Mädchen grundsätzlich Zugang zu Bildung - wenn auch nicht ganz im gleichen Maße wie Jungen. Allerdings geht der Trend nicht in allen Teilen der Welt zu mehr weiblicher Bildungsbeteiligung: So steigt die Zahl der Mädchen, die nicht lesen und schreiben lernen, in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara an. Das Gleiche gilt für Südasien. Fast zwei Drittel der Analphabeten auf der Welt sind weiblich.
In Afrika gehe die zunehmende Benachteiligung bei der Bildung direkt auf die Globalisierung zurück, hat Lenz beobachtet. Denn die vom Internationalen Währungsfonds in den 80er-Jahren geforderten Strukturanpassungsprogramme führten zu Kürzungen bei Bildungs- und Sozialprogrammen. Bildung wurde damit teurer - und Eltern reagierten, indem sie die Mädchen nicht mehr zur Schule schickten.
An Hochschulen sind Frauen global gesehen bis heute unterrepräsentiert. So ist in Afrika, wo ohnehin nur ein Bruchteil der Bevölkerung die Uni besucht, nur etwa ein Viertel der Studierenden weiblich. Aber der Vorsprung der Männer ist in den 90er-Jahren geschrumpft. In den westlichen Industrieländern und im überwiegend islamischen Westasien studieren inzwischen mehr Frauen als Männer. Zudem dringen Frauen in lange männlich geprägte Fachbereiche wie Natur-, Ingenieurs-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften vor.
Erwerbstätigkeit: Immer mehr Frauen sind erwerbstätig. Gestiegen sind die Zahlen vor allem in den USA, Westeuropa und Lateinamerika. Allerdings: Die Hierarchie in den Unternehmen hat sich kaum verändert. Führungspositionen bleiben weitgehend in Männerhand. Nach einer Untersuchung der OECD sind Managerstellen im Nahen Osten, Asien und den Entwicklungsländern zu über 80 Prozent von Männern besetzt, in Deutschland sind es laut EU-Kommission 72 Prozent. Auch auf einer etwas niedrigeren Ebene dominieren Männer. Global gesehen stellen sie mehr als 90 Prozent der Vorarbeiter und Meister.
Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern: Zwar nimmt die Erwerbstätigkeit von Frauen zu. Doch Männer nehmen ihnen nicht im gleichen Umfang Arbeit in Familie und Haushalt ab. So kommt es, dass Frauen weltweit länger arbeiten als Männer - obwohl sie öfter Teilzeitstellen haben. Frauen werden noch immer als vorrangig für die Versorgung der Kinder verantwortlich betrachtet. Das führt dazu, dass sie öfter in Familien- oder Schattenwirtschaft erwerbstätig sind oder unsichere, irreguläre Beschäftigungsverhältnisse eingehen. Kürzungen öffentlicher Leistungen wirken sich daher besonders stark auf Frauen aus.
Dass Frauen - trotz aller Einschränkungen - in den vergangenen Jahrzehnten ihre Positionen in den meisten Ländern der Welt verbessern konnten, führt Lenz zu einem erheblichen Teil auf das "Genderregime" internationaler Organisationen zurück. So habe mit der ersten UN-Dekade der Frau 1975 ein Prozess begonnen, der sich bis heute fortsetze. Eine wichtige Rolle haben auch die EU und Nichtregierungsorganisationen, vor allem Frauennetzwerke, gespielt. Die "Grundwerte von Gleichheit und Beteiligung" seien heute weltweit anerkannt.
Ilse Lenz: Geschlechtergleichheit und Globalisierung: "Frauenfrühling" oder modernisierte Ungleichheit?, in: Rubin, Sonderheft Globaler Wandel, Ruhr-Universität Bochum, Januar 2007. Beitrag zum Download (pdf)