Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitszeit: Frauen in der Coronakrise stärker belastet
Weniger Erwerbsarbeit, mehr Kinderbetreuung: Die Folgen der Coronakrise belasten Frauen noch stärker als Männer. Für die Gleichstellung am Arbeitsmarkt bedeutet das einen Rückschlag.
Die durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit von Frauen ist im Zuge der Coronakrise stärker gesunken als die von Männern. Dadurch hat sich die schon vorher bestehende Lücke noch weiter vergrößert. Das zeigt die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung vom November 2020, die Bettina Kohlrausch und Andreas Hövermann vom WSI ausgewertet haben. An der Befragung haben mehr als 6100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende teilgenommen. Dieselben Personen hatten bereits im April und im Juni Auskunft gegeben, sodass Trends im Zeitverlauf analysiert werden können. Die Befragung bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.
Vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten Frauen im Durchschnitt fünf Stunden pro Woche weniger als Männer in einem bezahlten Job. Im Herbst 2020 betrug die Differenz sechs Stunden, damit war sie kaum kleiner als während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Mit betreuungsbedürftigen Kindern im Haushalt lag die Differenz im Oktober 2020 sogar bei elf Stunden: Bei den Vätern betrug die tatsächliche Wochenarbeitszeit zu diesem Zeitpunkt 39 statt vorher 41 Stunden, während die Mütter nun 28 statt 31 Stunden mit Erwerbsarbeit verbrachten. „Der zusätzliche Rückstand der Frauen von einer Stunde in den vergleichsweise ruhigen Herbstmonaten ist erheblich“, so WSI-Direktorin Kohlrausch, die auch Professorin für gesellschaftliche Transformation an der Universität Paderborn ist. Ein Teil der Frauen, die ihre Arbeitszeit im Lockdown deutlich reduzieren mussten, könnte Schwierigkeiten haben, zur alten Arbeitszeit zurückzukehren. Es bestehe die Gefahr, dass manche Arbeitgeber sagen: einmal reduziert, immer reduziert.
Frauen übernehmen mehr Sorgearbeit
Eine Ursache für den wachsenden Abstand bei den Arbeitszeiten: Vor allem Frauen haben in der Krise zusätzliche Sorgearbeit übernommen, etwa in Form von Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen. Im November 2020 gaben 66 Prozent der befragten erwerbstätigen Frauen mit Kind, die in einer Partnerschaft lebten, an, den größeren Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen. 7 Prozent sahen den Hauptpart bei ihrem Partner, 27 Prozent sprachen von einer Gleichverteilung der Sorgearbeit. Die befragten Männer sahen das mit Abweichungen ähnlich. „Frauen reduzieren ihre Erwerbsarbeit stärker als Männer, um Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass sie oft ein geringeres Einkommen als ihr Partner haben – die finanziellen Einbußen wären größer, wenn der Mann im Job kürzertritt“, sagt Kohlrausch. „In der Coronakrise zeigt sich wie unter einem Brennglas, dass Einkommensungleichheit eine ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit noch verschärft – zuungunsten der Frauen.“
Homeoffice im Herbst weniger angesagt
Dass sich die Aufteilung im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr kaum verbessert hat, könnte zudem damit zusammenhängen, dass im Herbst erstaunlich wenige Erwerbstätige vorwiegend im Homeoffice gearbeitet haben: Zu Beginn des Lockdowns Light Anfang November taten das – trotz vorangegangener Appelle der Bundesregierung an die Arbeitgeber – nur 14 Prozent, im April waren es noch 27 Prozent. Frauen und Männer haben ähnlich häufig im Homeoffice gearbeitet.
Viele Eltern empfinden familiäre Situation als belastend
„Während der Feiertage hatten es viele Familien sicherlich leichter als Alleinstehende. Einsamkeit ist für sie in Zeiten des Lockdowns ein geringeres Problem. Aber generell bringt die Coronakrise für Familien große Herausforderungen“, sagt WSI-Direktorin Kohlrausch. „Das macht unsere Befragung deutlich: 65 Prozent der Befragten mit betreuungsbedürftigen Kindern im Haushalt empfinden ihre familiäre Situation als belastend. Bei den Alleinerziehenden sagen das sogar 71 Prozent. Unter den Befragten ohne Kinder sind es 48 Prozent.“
Von der aktuellen Verlängerung des Lockdowns dürften Frauen abermals stärker betroffen sein, erwartet die Wissenschaftlerin. Durch die verlängerten Weihnachtsferien von Schulen und Kitas entsteht erneut zusätzlicher Betreuungsbedarf. Hinzu kommt, dass mit dem Einzelhandel eine Branche mit vielen weiblichen Beschäftigten von Schließungen betroffen ist. Daher könnten jetzt mehr Frauen als Männer in Kurzarbeit wechseln.
Kurzarbeit: Frauen erhalten seltener Aufstockung
Im November 2020 waren Frauen und Männer fast gleichermaßen von Kurzarbeit betroffen: Unter den befragten männlichen Erwerbstätigen arbeiteten 7 Prozent kurz, unter den weiblichen 8 Prozent. Spürbare Unterschiede gab es bei den finanziellen Folgen: Zum einen verzeichnen erwerbstätige Frauen im Schnitt niedrigere Einkommen. Zum anderen erhielten die befragten Frauen seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitsgeldes über das gesetzlich vorgesehene Niveau hinaus: Während im November 46 Prozent der kurzarbeitenden Männer von einer Aufstockung profitierten, waren es unter den Kurzarbeiterinnen lediglich 36 Prozent.
Ein möglicher Grund dafür ist nach Kohlrauschs Analyse, dass Frauen seltener nach Tarifvertrag bezahlt werden, was bei der Höhe des Kurzarbeitsgeldes einen erheblichen Unterschied bedeutet. In zahlreichen Branchen wurden tarifliche Regelungen zu Aufstockungen abgeschlossen. Dementsprechend erhielten von den Befragten in tarifgebundenen Betrieben im November 52 Prozent eine Aufstockung, in Betrieben ohne Tarifvertrag waren es nur 27 Prozent. Auch eine zweite Korrelation falle ins Auge, so Kohlrausch: Von den Gewerkschaftsmitgliedern in der Befragung erhielten 65 Prozent ein aufgestocktes Kurzarbeitsgeld, unter den Nichtmitgliedern lediglich 34 Prozent.