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HBS Böckler Impuls

Kinderbetreuung: Flexible Kita, komplexes Management

Ausgabe 16/2010

Flexiblere Betreuungszeiten bei hoher Qualität: Die Anforderungen an die Kinderbetreuung in Krippen, Horten und Kindergärten bedeuten für die Erzieherinnen mehr Arbeit - und damit oft auch mehr Stress.

Der klassische Acht-Stunden-Tag ist für viele Beschäftigte längst passé, Arbeitszeiten differenzieren sich immer weiter aus. In der Folge stellen Familien immer unterschiedlichere Anforderungen an institutionelle Betreuungsangebote für ihre Kinder. Unter stark flexibilisierten Betreuungszeiten kann jedoch die pädagogische Qualität der Betreuung leiden. Und für die Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen bedeutet mehr Flexibilität eine höhere Belastung - wenn die neuen Strukturen nicht von dazu passenden neuen Konzepten begleitet werden. Dies zeigt eine Untersuchung von Sybille Stöbe-Blossey. Die Wissenschaftlerin am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hat den Wandel in der institutionellen Kindertagesbetreuung untersucht, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung.

Stöbe-Blossey hat dazu eine Vielzahl von Quellen ausgewertet: Gesetze und Bildungsleitlinien der Bundesländer, Befragungen von Landesjugendämtern und eigene Interviews mit Experten und Beschäftigten. Die Befragten sollten die Flexibilisierung im Allgemeinen, den Umgang mit Qualitätsentwicklung und Leitlinien zur Bildungsarbeit sowie Entwicklung und Management in den Kindertagesstätten beurteilen.

Pädagogische Qualität der Betreuung. Wenn von Flexibilisierung die Rede ist, geht es einerseits um Angebote für atypische Arbeitszeiten - also am späten Nachmittag, am Abend oder am Wochenende. Andererseits wünschen gerade viele in Teilzeit beschäftigte Mütter von Kindern unter drei Jahren Krippenplätze nur für einzelne Wochentage oder für täglich wenige Stunden. Ein ständiges Kommen und Gehen der Kinder stört allerdings sowohl das freie Spiel als auch die pädagogische Arbeit, so Stöbe-Blossey. Gerade die Kleinsten bräuchten ein gut strukturiertes Tagesraster und möglichst wenig Wechsel bei den erwachsenen Bezugspersonen. Einrichtungen mit flexiblen Angeboten bieten daher oft feste Stundenblöcke an, innerhalb derer die Kinder nicht abgeholt werden sollen. Jenseits von Mindestgrenzen bleibt es aber den Familien überlassen, wie viele Bausteine sie wählen.

Im Zuge der PISA-Debatte hat frühkindliche Bildung einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Wenn bei flexibler Betreuung eine gute Bildungsarbeit geleistet werden soll, ist eine individuelle Bildungsdokumentation besonders wichtig, merkt die Wissenschaftlerin an. Nur so können Kinder, die nicht täglich anwesend sind, im erforderlichen Umfang an Förderprogrammen teilnehmen. Auch müssen Eltern bei der Buchung von Betreuungszeiten intensiv beraten werden, damit pädagogische Angebote ungestört ablaufen können.

Arbeitsbelastung der Beschäftigten. Die Flexibilisierung der Betreuung ist für Erzieherinnen mit einem größeren Arbeitsaufwand verbunden, so Stöbe-Blossey. Inhaltlich kann sie dennoch als Bereicherung empfunden werden. Denn die weniger starren Strukturen bedeuten für die Fachkräfte mehr Abwechslung, mehr Teamarbeit und mehr Handlungsspielräume. Viele Beschäftigte schätzten dies durchaus positiv ein, berichten einige Befragte über ihre Praxiserfahrungen.

Flexibilisierung geht jedoch auch einher mit mehr Teilzeitarbeit, atypischen Arbeitszeiten und Schichtarbeit. Deshalb sind partizipative Instrumente der Dienstplangestaltung notwendig, die sowohl einen an die Auslastung angepassten Personaleinsatz als auch verlässliche Zeitplanung und die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten ermöglichen. Wenn solche Arbeitszeitmodelle fehlen, erleben die Erzieherinnen dies als Stress, hat die IAQ-Forscherin ermittelt. Zudem werden in der öffentlichen Bezuschussung Zeiten, die über eine Standardzeit hinausgehen, häufig nicht berücksichtigt. Betreuungseinrichtungen müssen daher häufig Honorarkräfte oder Ehrenamtliche einsetzen.

Wie Flexibilisierung umgesetzt wird und welche Auswirkungen sie auf die Situation der Beschäftigten hat, hängt in erster Linie von der personalwirtschaftlichen Gestaltung ab, resümiert Stöbe-Blossey. Insbesondere computergestützte Systeme zur Verwaltung der Buchungszeiten und Instrumente zur Dienstplangestaltung erleichtern die flexible Betreuung. Bei der Auswahl, Einführung und Nutzung solcher Instrumente müssen die Träger ihre Kindertagesstätten stärker unterstützen. Allerdings sollte auch die öffentliche Hand flexibilisierte Kinderbetreuung bei der Vergabe von Fördermitteln besser berücksichtigen. So könnten anstelle von prekären Beschäftigungsverhältnissen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen. Und die für eine bedarfsgerechte Betreuung notwendigen atypischen Arbeitszeiten für Erzieherinnen würden finanziell entsprechend honoriert.  

  • Familien stellen immer unterschiedlichere Anforderungen an institutionelle Betreuungsangebote für ihre Kinder. Auch die Betreuungszeiten von Kindern im Kindergartenalter variieren stark. Zur Grafik

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