Quelle: HBS
Böckler ImpulsPrivate Equity: Finanzinvestoren haben Autozulieferern nicht geholfen
Private-Equity-Firmen haben im vergangenen Jahrzehnt viele Autozulieferer übernommen. Eine Reihe von Pleiten nach der Konjunkturkrise zeigt: Zumindest in diesem Segment ist die finanzmarkt-getriebene Unternehmensführung gescheitert.
Kaufen, sanieren, verkaufen. Und das in möglichst kurzer Zeit. Mit diesem Vorsatz sind viele Private-Equity-Fonds angetreten, die mittelständische Unternehmen aus der Autobranche erworben haben. Doch der Plan ging in den meisten Fällen nicht auf, wie der Soziologe Christoph Scheuplein von der Universität Münster mit einer aktuellen Untersuchung belegt. Er hat dazu Daten aus Brancheninformationsdiensten, Unternehmensdatenbanken und Fachpresse ausgewertet. Einbezogen wurden Firmen mit Hauptsitz in Deutschland und mindestens 100 Mitarbeitern, sofern wenigstens 25 Prozent der Anteile in den Besitz einer Private-Equity-Gesellschaft gelangt sind.
Seit 2000 hat es demnach in der deutschen Auto-Zulieferindustrie mehr als 160 Übernahmen durch Private-Equity-Firmen gegeben, betroffen waren 130 Unternehmen. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass manche Unternehmen im Untersuchungszeitraum mehr als einmal an Finanzinvestoren verkauft wurden. Ihren Höhepunkt erreichte die Übernahmewelle mit 27 Verkäufen im Jahr 2005. Insgesamt waren 165.000 Beschäftigte von den Transaktionen betroffen.
Nach Beginn der Finanzkrise und dem Konjunktureinbruch 2008 zeigte sich, dass die von Finanzinvestoren vermeintlich sanierten Zulieferer keineswegs besser dastanden als die übrige Branche, so Scheupleins Auswertung. Im Gegenteil: Ein Drittel der Unternehmen im Eigentum von Private-Equity-Fonds musste Insolvenz anmelden. An einen industriellen Investor weiterverkauft wurden lediglich 16 Prozent der übernommenen Industrieunternehmen. Die übrigen etwa 50 Prozent befinden sich weiterhin im Private-Equity-Portfolio – vielfach länger als ursprünglich geplant. Denn infolge der Finanzkrise ist auch der Markt für Unternehmensbeteiligungen eingebrochen. Scheupleins Fazit: „Die finanzgetriebene Restrukturierung der Zulieferbranche ist gescheitert.“ Dies schließe aber nicht aus, dass Finanzinvestoren ihr Engagement zumindest mit einer schwarzen Null abgeschlossen haben, da sie bis zur Insolvenz bereits in erheblichem Umfang Kapital aus den Unternehmen abgezogen hatten.
Der Wissenschaftler hat auch analysiert, woran die Restrukturierung scheiterte. So habe sich die Finanzierungsstruktur vieler Unternehmen verschlechtert, weil Private-Equity-Gesellschaften den übernommenen Firmen hohe Kredite aufgebürdet haben – nämlich die Kredite, mit denen sie die Übernahme bezahlt hatten. Dies sei jedoch nur in wenigen Fällen die Hauptursache der Insolvenz gewesen, schreibt Scheuplein. Vor allem sei es den Finanzinvestoren nicht gelungen, die lange erwartete Konsolidierung in der Zulieferbranche herbeizuführen. Denn die Fahrzeugindustrie ist eine Branche mit komplexen, weitgehend von den Autokonzernen bestimmten Prozessen. Die üblichen Maßnahmen von Private-Equity-Firmen griffen nicht, „weil die Produktions- und Lieferstrukturen hier bereits vielfältig abgestimmt sind“:
- Kostensenkungen um jeden Preis, etwa durch Billig-Vorprodukte aus Niedriglohnländern, lassen sich nicht ohne weiteres umsetzen, weil die Autohersteller exakte Qualitätsstandards vorgeben.
- Lohnkosten durch Standortverlagerungen zu sparen, ist oft ebenfalls nicht möglich, weil die ausgeklügelte Just-in-Time-Logistik der Fahrzeughersteller dies nicht erlaubt.
- Kurzfristig die Geschäftsstrategie zu ändern, ist für ein Zulieferunternehmen schwer, denn die vielfältigen Kooperationsprozesse mit den Auto- und Komponentenherstellern sind langfristig angelegt. Letztlich zeigt sich nach Einschätzung des Forschers hier ein Grundkonflikt: Die langen Entwicklungszyklen von Kraftfahrzeugen passen nicht zu den kurzfristigen Strategien von Finanzinvestoren.
In der Krise hätten viele Zulieferer, die in den Händen von Private-Equity-Fonds nach mehr Eigenständigkeit strebten, allein dagestanden. Dagegen erhielten andere Lieferanten von Fahrzeugteilen, die sich mit „der relativen Abhängigkeit“ von den Autokonzernen oder Produzenten auf der nächsthöheren Wertschöpfungsstufe abfanden, als Gegenleistung häufig finanzielle Unterstützung. Beispielsweise durch Schützenhilfe bei Kreditverhandlungen mit Banken oder indem Rechnungen früher bezahlt wurden, um die Liquidität zu sichern.
Zumindest innerhalb „des dicht vernetzten, systemisch integrierten Produktionsmodells“ der deutschen Auto-Zulieferbranche hat das Geschäftsmodell der Private-Equity-Manager „seine Grenzen aufgezeigt bekommen“, resümiert Scheuplein. Allerdings lasse sich dies nicht auf weitere Branchen übertragen. Seine Ergebnisse seien keineswegs als „Beleg für das generelle Ende des Finanzkapitalismus“ zu werten.
Christoph Scheuplein: An die Wertschöpfungskette gelegt – Die finanzgetriebene Restrukturierung in der deutschen Automobilzulieferindustrie und ihr Scheitern, in: PROKLA 1/2012.