Quelle: HBS
Böckler ImpulsGender: Feedback hilft Frauen
Frauen sind im Schnitt weniger wettbewerbsfreudig als Männer. Das ändert sich, wenn man ihnen ermöglicht, die eigene Leistung im Vergleich zur Konkurrenz präzise einzuschätzen.
Die oberen Sphären der Wirtschaft sind nach wie vor eine Männerdomäne: Weniger als fünf Prozent der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt wurden 2017 von einer Frau geführt. Zu den gängigen Erklärungsmustern gehören geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Wettbewerbsorientierung. Demnach haben Frauen häufiger Hemmungen zu konkurrieren und machen daher seltener Karriere. Ein Forscherteam um den Ökonomen Tarek Jaber-Lopez von der Universität Innsbruck hat sich experimentell mit dieser These auseinandergesetzt. Den Ergebnissen der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie zufolge schrecken Frauen tatsächlich eher vor Wettbewerbssituationen zurück. Feedbacks zur Leistungsfähigkeit können dazu beitragen, die Differenz zwischen den Geschlechtern zu überwinden.
Die Forscher haben ihr Experiment im Herbst 2017 durchgeführt, teilgenommen haben 360 Studierende. Die Probanden mussten in mehreren Runden Aufgaben lösen. Zum einen sollten sie drei Minuten lang Zahlen addieren, zum anderen in der gleichen Frist aus Buchstaben Wörter bilden. Dabei gab es zwei Entlohnungsmodelle: Bei der Stücklohnvariante wurde jede korrekte Lösung mit 50 Cent vergütet. Bei der Turniervariante mussten die Teilnehmer in Sechsergruppen gegeneinander antreten. Die beiden Besten erhielten pro korrekt gelöster Aufgabe 1,50 Euro, die anderen vier gingen leer aus.
Zwischendurch gab es ein Feedback. Ein Drittel der Teilnehmer wurde dabei lediglich über die eigene Leistung in Kenntnis gesetzt, ein weiteres Drittel über die Leistung sämtlicher Gruppenmitglieder. Das verbliebene Drittel erhielt zusätzlich Informationen zum Geschlecht der Konkurrenten. Nach dem Feedback sollten die Probanden mitteilen, welche der beiden Tätigkeiten sie bevorzugen, um anschließend in der favorisierten Tätigkeit erneut in einem Turnier gegen fünf Konkurrenten anzutreten. Danach konnten sie sich entscheiden, ob sie in einer letzten Runde die bevorzugte Aufgabe für einen Stücklohn verrichten oder gegen Wettbewerber antreten würden.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Männer und Frauen genauso leistungsfähig sind: Egal, welche Phase oder Tätigkeit man betrachtet – signifikante Unterschiede zwischen den Leistungen der männlichen und weiblichen Teilnehmer sind nicht nachweisbar. Erhebliche Differenzen gibt es dagegen bei der Entscheidung zwischen Stücklohn und Konkurrenzmodell in der letzten Runde des Experiments – zumindest bei denjenigen Teilnehmern, die nur zur eigenen Leistung ein Feedback erhalten haben: In dieser Gruppe votierten 56,6 Prozent der Männer, aber nur 25 Prozent der Frauen für die Turniervariante. Demnach scheinen Frauen also tatsächlich weniger wettbewerbsorientiert zu sein als Männer.
Die Differenz schmilzt allerdings zusammen, je informativer das Feedback ausfällt. Von den männlichen Teilnehmern, die auch über die Leistungen ihrer Konkurrenten aufgeklärt wurden, entschieden sich 53,3 Prozent für Wettbewerb, von den weiblichen 36,7 Prozent. Wenn es zusätzlich Auskünfte zum Geschlecht der Konkurrenten gab, blieb überhaupt kein signifikanter Unterschied übrig.
Die Forscher erklären ihren Befund damit, dass Männer eher zu übersteigertem Selbstbewusstsein neigen. Befragungen der Teilnehmer hätten gezeigt, dass die Männer anteilig deutlich häufiger als die Frauen die Erwartung hatten, dass sie zu den Turniersiegern gehören würden. Dieser Unterschied werde durch ein umfassendes Feedback verringert. Die Risikoneigung scheint dagegen keine Rolle zu spielen. Wenn Unternehmen Frauen gezielt fördern wollen, sollten Beschäftigte ausführliche Informationen über ihre Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den Kollegen erhalten, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.
Alexandra Baier, Brent J. Davis, Tarek Jaber-Lopez, Michael Seidl: Gender, Competition, and the Effect of Feedback and Task: An Experiment (pdf), Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 62, März 2018