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HBS Böckler Impuls

Arbeitslosigkeit: Europas Jugend: Fähigkeiten liegen brach

Ausgabe 18/2012

Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat dramatische Höchststände erreicht. Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen warnt: Eine ganze Generation könnte wirtschaftlich und sozial ins Abseits geraten.

2011 lag die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen in der EU bei über 21 Prozent. Seit Beginn der Finanzkrise ist die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen um 1,5 Millionen auf 5,5 Millionen gestiegen. Doch in dem „alarmierenden Stand“ der Erwerbslosenquote kommt nur ein Teil der Misere zum Ausdruck. Darauf weist Eurofound hin, die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Denn letztlich werden nicht alle jungen Menschen, denen eine wirtschaftliche Perspektive fehlt, von der europäischen Arbeitslosenstatistik erfasst.

Eurofound nutzt daher ein weiter gefasstes Konzept. Die Wissenschaftler der Stiftung zählen alle, die weder beschäftigt noch in Ausbildung sind, nicht nur die arbeitslos Gemeldeten. Diese Jugendlichen bezeichnen sie als NEETs; das steht für „not in employment, education or training“. Nach dieser Definition gibt es sogar 7,5 Millionen „inaktive“ Jugendliche in Europa. In der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren sind es weitere 6,5 Millionen.

Europa riskiere „die Entstehung einer verlorenen Generation junger Leute, denen es an Chancen und Wegen in Beschäftigung fehlt“, warnt Eurofound. Die Wissenschaftler befürchten, dass diese Jugendlichen sich nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ausgegrenzt fühlen, sondern sich auch von der übrigen Gesellschaft abwenden könnten. Befragungen zeigen, dass NEETs deutlich weniger sozial und politisch engagiert sind und geringeres Zutrauen in gesellschaftliche Institutionen haben als ihre Altergenossen, die arbeiten oder eine Ausbildung absolvieren. Sie seien von Arbeitsmarkt und Bildungssystem ausgeschlossen und trügen ein „hohes Risiko, sich politisch und sozial von ihren Gesellschaften zu entfremden“. Die langfristigen Folgen seien schwer vorherzusagen, aber so könne Extremismus entstehen.

Die individuellen Konsequenzen von Arbeits- oder Ausbildungslosigkeit seien keineswegs nur vorübergehend, betont Eurofound. So zeigen Studien, dass Jugendarbeitslosigkeit im Lebenslauf oft lange nachwirkt: Auch nach Jahren haben viele Betroffene keine sicheren Jobs und verdienen unterdurchschnittlich.

Dass die Fähigkeiten Millionen junger Leute brachliegen, kostet die EU-Staaten auch Geld, so die Eurofound-Studie. Nach einer konservativen Schätzung beliefen sich die an die NEETs gezahlten Sozialleistungen sowie entgangene Steuern und Abgaben auf 150 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht mehr als einem Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Demnach ließen sich 15 Milliarden Euro sparen, wenn es gelänge, 10 Prozent der Betroffenen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, schreiben die Wissenschaftler.

Im EU-Vergleich schnitten die Länder am besten ab, die ein ausgebautes Berufsausbildungssystem haben. So nennt Eurofound zwei Ausnahmen vom allgemeinen Negativ-Trend: Deutschland und Österreich.

Nichtsdestoweniger reicht ein gutes Bildungssystem nicht als Schutz gegen Wirtschaftsflauten: Der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in Europa betraf laut Eurofound alle jungen Menschen, auch die gut ausgebildeten. „Die aktuelle Krise scheint den schützenden Effekt der Bildung weggewischt zu haben, jedenfalls in einigen Ländern.“

  • Seit Beginn der Finanzkrise ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa dramatisch gestiegen. Zur Grafik

European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions: NEETs – Young people not in employment, education or training: Characteristics, costs and policy responses in Europe (pdf), Oktober 2012.

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