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HBS Böckler Impuls

Eurokrise: Eurobonds günstiger als Schuldenschnitt

Ausgabe 08/2011

Eine Umschuldung würde Euro-Problemländern wenig helfen, warnen IMK und seine europäischen Partnerinstitute. Vielmehr könnten auf alle Staaten der Währungsunion höhere Zinslasten und neue Bankenkrisen zukommen.

Griechenland gilt unter den Krisenstaaten der Europäischen Währungsunion als der erste Kandidat für eine Staatsinsolvenz mit Schuldenschnitt. Angesichts staatlicher Verbindlichkeiten, die mehr als 140 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entsprechen, sehen manche Ökonomen und Finanzpolitiker keine Alternative. Zudem müssten Anleihebesitzer die Risiken ihrer Geldanlage selber tragen. Wenn die Gläubiger bei einem "hair cut" auf 20, 30 oder mehr Prozent ihrer Ansprüche verzichten, um den Rest zu retten, erhalte der Krisenstaat finanzielle Bewegungsfreiheit zurück. Und den übrigen Euro-Partnern, so die Hoffnung der Befürworter, blieben kostspielige Rettungsaktionen erspart.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute des Makro-Konsortiums - das IMK, das OFCE aus Paris und das österreichische WIFO - haben in ihrer gemeinsamen Konjunkturdiagnose das Für und Wider von Umschuldungen geprüft. Ihr Ergebnis fällt eindeutig aus: Die Risiken überwiegen bei weitem. "Die Gläubiger zu beteiligen und so Staaten und Steuerzahler zu entlasten, das klingt gerecht", sagt der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Gustav Horn. "Aber leider würde es nicht funktionieren. Im Gegenteil: Es drohen erhebliche ökonomische Schäden."

Hohe Zinsen fressen den Entschuldungs-Spielraum. Für ein Euro-Land bedeute eine Umschuldung bestenfalls einen Zeitgewinn, mit dem es nicht viel anfangen könne, so die Wissenschaftler. Erfahrungen mit Staatspleiten und Schuldenschnitten in lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien zeigen: Der Preis für die Entlastung ist ein massives Misstrauen der Finanzmärkte, das sich in Risikoaufschlägen bei den Zinsen für künftige Kredite ausdrückt. "Selbst wenn Ländern wie Griechenland oder Irland 30 Prozent ihrer Staatsschuld erlassen werden, würde die Schuldenquote neuerlich steigen, sofern der Anleihenzins weiterhin deutlich über der Wachstumsrate liegt - was nach einem `hair cut´ sehr wahrscheinlich wäre", schreiben die Institute.

Die Vorbehalte der Anleger lassen sich nur zerstreuen, wenn der Ex-Pleitier mit starkem Wachstum Leistungsbilanzüberschüsse erzielt und damit seine neue Zahlungsfähigkeit beweist. "Das ist den Argentiniern gelungen. Sie hatten zuvor aber auch ihre Währung drastisch abgewertet und so ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gesteigert", so Horn. Gerade das ist bei einem Euro-Land ohne eigene Währung aber nicht möglich.

Auch deutsche Staatsanleihen werden nach einer Umschuldung unattraktiver. Für die Euro-Partnerländer sehen IMK, WIFO und OFCE ebenfalls Probleme: Das Misstrauen der Gläubiger dürfte sich nicht nur auf die Anleihen des umgeschuldeten Landes beziehen, sondern auf alle Euro-Anleihen, prognostizieren sie. Durch die Umschuldung würde aus Sicht der Anleger die gesamte Euro-Union zur Risikozone, in der Staatsinsolvenzen prinzipiell möglich sind, weil keine mächtige nationale Zentralbank mit aller Konsequenz eingreift.

Anleihen von Euro-Ländern würden unattraktiver im Vergleich zu Schuldverschreibungen der USA, Japans oder Großbritanniens, obwohl diese Länder ähnlich hoch verschuldet sind und sich Rating-Agenturen bisweilen kritisch äußern. Denn bei diesen Staaten hegen Investoren die begründete Erwartung, dass die Zentralbank zur Not Anleihen aufkauft, um Kursstürze zu verhindern, die eine Umschuldung nötig machen würden. Nach einem griechischen "hair cut" müssten daher alle Euro-Länder mit Risikoaufschlägen rechnen. Das beträfe auch deutsche Anleihen, warnen die Institute: "Die Zinssätze auf Staatsschulden werden höher, volatiler und weniger kontrollierbar sein. Dies wird die Haushaltspolitik der Mitgliedsländer beeinträchtigen, und das Risiko spekulativer Attacken wird immer gegenwärtig sein."

Risiko einer neuen Bankenkrise. Auch die Frage, welche Gläubiger von einem Schuldenschnitt betroffen wären, halten die Institute für wichtig. Bis vor anderthalb Jahren galten Anleihen von Euro-Staaten - mit dem Segen der Rating-Agenturen - als konservative Geldanlage: Sie versprachen hohe Sicherheit und daher relativ niedrige Renditen. "Auch Anleihen aus Südeuropa oder Irland waren gerade keine Zocker-Papiere, deshalb dürfte ein großer Teil noch bei eher konservativen Anlegern liegen", erklärt Horn. Dazu zählen Versicherungen, Rentenfonds und Banken. Geldhäuser aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben viele Milliarden in Anleihen der Krisenländer investiert. Wenn in Griechenland ein Schuldenschnitt um 50 Prozent vorgenommen würde, würde das nach IMK-Berechnungen allein die deutschen Banken mit mehr als 25 Milliarden Euro belasten.

Manchen Gläubiger könnte eine Umschuldung schwer treffen, und womöglich wäre das ein Auslöser für die nächste Banken- und Finanzmarktkrise. "Es ist unbefriedigend, schon wieder darauf Rücksicht nehmen zu müssen", sagt WIFO-Forscher Stephan Schulmeister. "Aber die Situation ist noch viel zu fragil, um große Erschütterungen zu riskieren." Und falls neue Banken-Rettungsaktionen nötig werden sollten, würden die Kosten dafür wieder bei den Steuerzahlern landen.

Euro-Währungsfonds und Niedrigzinsen. Als bessere Alternative zu Umschuldungen empfehlen die drei Institute daher eine Niedrigzinsstrategie: Erstens solle die Europäische Zentralbank die Leitzinsen auch mittelfristig deutlich unter zwei Prozent belassen. Zweitens regen die Ökonomen einen Europäischen Währungsfonds an. Dieser hätte die Aufgabe zu verhindern, dass die Leistungsbilanzen der Euroländer wie in den vergangenen Jahren auseinander laufen, was auch dämpfend auf die Staatsschulden wirken würde. Zudem kann der Währungsfonds so genannte Eurobonds ausgeben, Staatsanleihen, für die die Euro-Staaten gemeinsam bürgen und die deshalb zu einem vergleichsweise niedrigen Zinssatz verkauft werden könnten.

Für den Zeitraum bis 2015 haben die Institute mit dem mittelfristigen Weltmodell von Oxford Economics berechnet, wie sich eine Niedrigzinsstrategie auswirken würde. Ihre Annahme: Die EZB belässt den Leitzins bei 1,5 Prozent, und der durchschnittliche Zinssatz für Staatsanleihen von Euro-Staaten kann durch die Ausgabe von Eurobonds bei drei Prozent gehalten werden. Unter diesen Voraussetzungen fiele das Wachstum in der Eurozone im Betrachtungszeitraum insgesamt um fünf Prozentpunkte höher aus als im derzeit wahrscheinlichsten Basisszenario, das für die Jahre bis 2015 eine Zunahme des BIPs von etwa neun Prozent prognostiziert. Am größten wären die Wachstumsgewinne in den Krisenstaaten. Doch auch die deutsche Wirtschaft könnte um gut drei Prozentpunkte stärker zulegen.

Die Kombination von niedrigeren Anleihezinsen und höherem Wachstum würde es den Krisenstaaten erleichtern, ihr Schuldenproblem in den Griff zu bekommen, schreiben die Forscher. Die Modellrechnung lässt erwarten, dass vor allem Griechenland die Abwärtsspirale aus hohen Zinsforderungen, schlechten Ratings und steigender Verschuldung durchbrechen könnte. So würde die Staatsschuldenquote im Niedrigzinsszenario bis 2015 auf rund 110 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgehen. Das Basisszenario prognostiziert hingegen einen weiteren Anstieg auf rund 150 Prozent. Auch den Euro-Staaten mit soliden Finanzen fiele die Haushaltskonsolidierung bei niedrigeren Zinsen leichter.

Die privaten Anleger würden dabei durchaus einen Beitrag leisten, schließlich müssten sie sich in den kommenden Jahren mit niedrigeren Zinsen zufrieden geben, heben die Forscher hervor. "Auf diese Weise ermöglichen sie den Schuldnerstaaten die langfristige Bedienung ihrer Verbindlichkeiten." Der Gesamtverlust der Gläubiger werde aber niedriger ausfallen als bei abrupten Umschuldungen - und somit auch weniger Risiken erzeugen.

  • Die Staatsschuldenquote von Griechenland, aber auch des gesamtes Euroraums inklusive Deutsche dürften laut IMK in den kommenden Jahren zurückgehen, wenn die EZB gemeinsame Eurobonds herausgibt. Zur Grafik

IMK, OFCE und WIFO: Der Euroraum im Umbruch - Erste gemeinsame Diagnose des Makro-Konsortiums (pdf), IMK Report Nr. 61, April 2011

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