Nachhaltigkeit: EU-Vorgaben verbessern statt verwässern
Unternehmen sollen bei den Berichtspflichten zum Thema Nachhaltigkeit entlastet werden. Hierzu liegen Pläne der EU vor, die zum Nachteil von Transparenz und Mitbestimmung gehen.
Der Europäische Rat hat im vergangenen November einen Zwölf-Punkte-Plan zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit veröffentlicht. Konkrete Vorschläge, die sich auf die Berichtspflichten von Unternehmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsrichtlinie, der Taxonomie-Verordnung und der Lieferkettenrichtlinie beziehen, hat die EU-Kommission am 26. Februar veröffentlicht. Das I.M.U. hat sich mit den Plänen der EU auseinandergesetzt. Es warnt davor, mit dieser Initiative das Erreichen der EU-Klimaziele zu gefährden und Mitbestimmungsmöglichkeiten weiter zu reduzieren. „Im Vordergrund der laufenden Überarbeitungsprozesse der relevanten Richtlinien und Verordnungen müssen ein klarer Optimierungsanspruch und das Schaffen von Rechtssicherheit stehen. Für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft brauchen wir verbindliche Regelungen, die insbesondere eine Beteiligung der Beschäftigten sicherstellen”, sagt Daniel Hay, Wissenschaftlicher Direktor des I.M.U.
Grundsätzlich zielten die Transparenzanforderungen der EU auf eine Wirtschaft ab, die sowohl ökologisch als auch sozial verantwortlich handelt und dabei wettbewerbsfähig bleibt, erklären die I.M.U.-Fachleute. Die Berichterstattung zu Nachhaltigkeit stelle die Grundlage dar, die notwendigen Transformationsprozesse anzustoßen. Alexandra Schädler, die am I.M.U. unter anderem für das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich ist, erklärt: „Anstelle einer bloßen Verschiebung und Reduzierung der Transparenzpflichten sollte aus unserer Sicht der Anspruch einer qualitativen Verbesserung verfolgt werden. Entlastung darf nicht bedeuten, dass zukünftige Berichterstattungspflichten die Informationsansprüche der einzelnen Stakeholder vernachlässigen oder ignorieren.“ Die aktuellen Vorschläge der EU zeigten jedoch in eine gegenläufige Richtung und verfolgten neben einer massiven Einschränkung des Anwenderbereichs der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auch eine Verwässerung der Sorgfaltspflichten.
Das I.M.U. empfiehlt, die Mitsprache von Beschäftigten bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten verpflichtend zu machen. Das sei entscheidend, um ein vollständiges Bild zu erhalten, das soziale Aspekte angemessen berücksichtigt. Außerdem seien Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten „Experten in der Operationalisierung von Nachhaltigkeitszielen“. Konkret sollte im Rahmen der nationalen Umsetzung gesetzlich präzisiert werden, dass die „zuständige Ebene“ – anstelle wie bisher die „geeignete Ebene“ – der gesetzlichen Arbeitnehmervertretung unterrichtet und angehört werden muss.
Die sogenannte Wesentlichkeitsanalyse ermöglicht Unternehmen, über Nachhaltigkeitsaspekte nur dann zu berichten, wenn wesentliche Auswirkungen, Risiken oder Chancen identifizierbar sind. Belange der eigenen Belegschaft und der Beschäftigten in Lieferketten sollten aber in jedem Unternehmen wesentlich und zwingender Bestandteil der Berichtspflicht sein, heißt es in der Analyse des I.M.U. Die Beschäftigten sollten an allen Schritten der Wesentlichkeitsanalyse beteiligt werden. Im deutschen Gesetzestext müsse festgeschrieben werden, dass Gewerkschaften sowie Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen in den gesamten Prozess einzubeziehen sind.
Der Regierungsentwurf zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsrichtlinie erlaubt Unternehmen, Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes durch einen Bericht gemäß dieser Richtlinie zu ersetzen. Es müsse aber sichergestellt werden, dass sie dabei qualitativ nicht hinter die Anforderungen des Lieferkettengesetzes zurückfallen, so die Autorinnen und Autoren.
Darüber hinaus sollte die EU möglichst rasch praxisorientierte Leitlinien und Datenbanken zugänglich machen, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen. Anders als von der EU geplant, sollte die in der Nachhaltigkeitsrichtlinie festgelegte Zahl der Datenpunkte nicht reduziert werden. Das, warnen die I.M.U.-Fachleute, würde die Qualität der Berichterstattung beeinträchtigen, ohne die Unternehmen in der Praxis zu entlasten.
Mehr Informationen
Was die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung konkret bedeuten, erläutert I.M.U.-Expertin Alexandra Schädler in einem Überblick: https://www.mitbestimmung.de/html/
eu-omnibus-initiative-47186.html
Daniel Hay u. a.: Anforderungen an die Nachhaltigkeitsregulierung, I.M.U. Policy Brief Nr. 9, Februar 2025