zurück
HBS Böckler Impuls

Gewinnbeteiligung: Erfolgsabhängige Vergütung: Nur für wenige ein Gewinn

Ausgabe 07/2007

Gewinnabhängige Einkommenszahlungen erhält nur eine Minderheit der Arbeitnehmer. Vor allem hoch qualifizierte Angestellte in Großbetrieben profitieren davon. Gering Qualifizierte sowie Frauen und Beschäftigte in Kleinbetrieben gehen zumeist leer aus.

Wie verbreitet sind gewinnabhängige Vergütungsmodelle in Deutschland? Das WSI hat Ergebnisse der Betriebsrätebefragung 2005, Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Die WSI-Betriebsrätebefragung zeigt: Gut ein Drittel der privatwirtschaftlichen Betriebe mit mindestens 20 Mitarbeitern und Betriebsrat zahlt Erfolgsbeteiligungen - zumindest einem Teil der Mitarbeiter. Große Unternehmen tun dies öfter als kleine. Von den Betrieben mit 2.000 oder mehr Beschäftigten haben laut WSI drei Viertel "vom Betriebsergebnis abhängige Einkommensbestandteile" im Programm. Auch zwischen verschiedenen Branchen sind die Unterschiede erheblich: Während ein Großteil der Banken und Versicherungen bei guter Ertragslage mehr zahlt, gibt es nur in jedem fünften vom WSI befragten Betrieb der Bauwirtschaft eine Gewinnbeteiligung.

Für die Gesamtwirtschaft - also inklusive sehr kleiner und nicht mitbestimmter Betriebe - hat das IAB eine niedrigere Beteiligungsquote ermittelt: Insgesamt zahlen knapp neun Prozent aller Betriebe ihren Mitarbeitern eine Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligung. Bei gleicher Abgrenzung der Datengrundlage - mitbestimmte Betriebe ab 20 Mitarbeitern - liefert das IAB-Betriebspanel jedoch ein ähnliches Ergebnis wie die WSI-Betriebsrätebefragung.

Die SOEP-Daten erlauben einen Perspektivwechsel - von der Betriebsstatistik zu den einzelnen Arbeitnehmern. Es zeigt sich: Lediglich knapp acht Prozent aller abhängig Beschäftigten bekommen nach eigenen Angaben eine Gewinnbeteiligung, Gratifikation oder Prämie. Bei den Männern liegt der Anteil fast doppelt so hoch wie bei den Frauen. Deutlich besser stehen sich Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitkräften und Westdeutsche im Vergleich zu Ostdeutschen. Vor allem fallen jedoch die Unterschiede nach Qualifikation ins Auge: Während nur 3 Prozent der Ungelernten direkt von guten Betriebsergebnissen profitieren, erhalten 24 Prozent der hoch qualifizierten Angestellten eine Beteiligung. Differenziert man nach dem Verdienst, fällt das Ergebnis ähnlich aus: Wer unter 1.500 Euro brutto im Monat verdient, bekommt selten einen Gewinnbonus - nicht einmal drei Prozent der Beschäftigten in dieser Einkommensklasse. Arbeitnehmer mit mehr als 7.000 Euro brutto beziehen beinahe zu einem Drittel ertragsabhängige Zahlungen.

Auch die Höhe der Beteiligung am Unternehmensertrag hängt stark von Ausbildung und ausgeübter Tätigkeit ab. 2005 erhielten Ungelernte mit Gewinnbeteiligung dem SOEP zufolge im Schnitt etwa 550 Euro, einfache Angestellte 690 Euro, Facharbeiter, Meister und Poliere 1.130 Euro. Qualifizierte Angestellte bezogen 1.840 Euro, hoch qualifizierte sogar 6.640 Euro.

Trends werden erkennbar bei einer Auswertung des SOEP, einer regelmäßig wiederholten Befragung. So zeigt die WSI-Analyse der Daten, dass die Quote der gewinnbeteiligten Arbeitnehmer seit 1995 um zwei Prozentpunkte gestiegen ist. Allerdings verteilt sich der Zuwachs nicht gleichmäßig auf alle Arbeitnehmergruppen: Ungelernte Arbeiter und einfache Angestellte profitierten 2005 seltener von Gewinnausschüttungen als noch ein Jahrzehnt zuvor, qualifizierte und hoch qualifizierte Angestellte verzeichneten dagegen Zuwächse. Besonders stark war der Anstieg in der letzten Gruppe - von 15 auf 24 Prozent. Großbetriebe zahlen immer öfter gewinnabhängig, Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 200 Beschäftigten hingegen seltener als 1995.

Das WSI resümiert: Gewinnbeteiligung werde bisher nur in begrenztem Umfang als Instrument der betrieblichen Vergütungspolitik eingesetzt. Die Anwendung sei hoch selektiv - Frauen, gering Qualifizierte, Beschäftigte in Kleinbetrieben hätten wenig davon.

Gewinnabhängige Entgeltbestandteile in Tarifverträgen - ein umkämpftes Terrain

Vergütungsmodelle mit Gewinnkomponente werden in der Regel auf Betriebsebene oder individuell ausgehandelt. Nur "in einer Minderheit der Fälle" sind solche Regelungen Bestandteil des Tarifvertrags, wie aus der WSI-Betriebsrätebefragung hervorgeht. Diese Tarifregelungen sind stets umkämpft, so die WSI-Analyse: Den Arbeitgebern gehe es seit Jahren darum, die bislang feste Tarifvergütung gewinnabhängig zu gestalten bzw. künftige Tariferhöhungen zu befristen. Die Gewerkschaften wollten dagegen die Tarifvergütungen möglichst stabil halten und stärkere ertragsabhängige Schwankungen vermeiden. Im Ergebnis komme es zu unterschiedlichen Varianten der variablen Tarifgestaltung:

Variable Pauschal- und Einmalzahlungen. Als Reaktion auf eine vorübergehend besonders gute wirtschaftliche Entwicklung der Gesamtwirtschaft oder einer Branche werden Zahlungen vereinbart, die aber keine dauerhafte Tariferhöhung bedeuten. So geschehen in der Chemieindustrie in diesem Jahr: Neben einer Erhöhung der tariflichen Entgelte um 3,6 Prozent handelten die Tarifparteien für die Laufzeit von 13 Monaten Einmalzahlungen von 0,7 Prozent eines Monatsgehalts aus. Sie können aus wirtschaftlichen Gründen wegfallen oder gekürzt werden. Der variable Anteil fällt damit deutlich niedriger aus als beim vorangegangenen Chemie-Tarifvertrag. Der Tarifabschluss in der Metallindustrie vom April 2006 sah eine Pauschalzahlung von 310 Euro für den Zeitraum von März bis Mai vor, die je nach betrieblicher Gewinnsituation bis zum Doppelten des Betrages reichen oder ganz entfallen konnte. Nach einer Erhebung der IG Metall haben lediglich 18 Prozent der Betriebe diese Differenzierungsmöglichkeit genutzt - in beide Richtungen: Rund elf Prozent zahlten mehr als 310 Euro, nur in sieben Prozent der Betriebe wurde die Pauschalzahlung abgesenkt.

Variable Jahressonderzahlungen. Das Weihnachtsgeld kann - je nach wirtschaftlicher Situation des Betriebs - in einer durch den Tarifvertrag vorgegebenen Bandbreite schwanken. Seit 2002 kann die Jahressonderzahlung in der Chemieindustrie auf Basis einer freiwilligen Betriebsvereinbarung auf Betriebsebene geregelt werden. Vorgegeben ist zum Beispiel in Westdeutschland ein Korridor zwischen 80 und 125 Prozent des im Tarifvertrag festgelegten Werts von 95 Prozent eines Monatsgehalts. Eine Abweichung muss sich an exakten betriebswirtschaftlichen Kennziffern orientieren.

Öffnungsklauseln ermöglichen eine ertragsabhängige Vergütung "im negativen Sinn", so das WSI. Sie erlauben Betrieben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten vom Tarif abzuweichen - nach unten. Beispielsweise sieht der Tarifvertrag im ostdeutschen Bauhauptgewerbe vor, dass Löhne und Gehälter durch freiwillige Betriebsvereinbarungen um bis zu zehn Prozent gekürzt werden können, vor allem um Beschäftigung zu sichern. Dasselbe gilt in der chemischen Industrie, vorausgesetzt die Gewerkschaft stimmt zu. Auch das "Pforzheimer Abkommen" aus dem Jahr 2004 erlaubt für die Metallindustrie vergleichbare Regelungen auf der Basis von tariflichen Ergänzungsregelungen.

"Variable, gewinnbezogene Löhne und Gehälter koppeln die Personalkosten stärker an die Marktsituation", so Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs. Diese sei "jedoch von den Arbeitnehmern selbst nicht zu beeinflussen". Auch müsse man den Einfluss der variablen Vergütungssysteme auf die Verteilung der Einkommen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Auge behalten: "Je höher die ertragsabhängigen Einkommensbestandteile ausfallen, desto günstiger entwickelt sich die Kostensituation der Unternehmen. Das bedeutet aber auch, dass der Spielraum für tabellenwirksame Erhöhungen entsprechend schrumpft. Die Beschäftigten verlieren dadurch mittelfristig real an Lohn und Gehalt.

  • Am Gewinn beteiligt sind am häufigsten höher Qualifizierte. Zur Grafik
  • Boni sind in Finanzindustrie und generell in Großbetrieben am weitesten verbreitet. Zur Grafik

Reinhard Bispinck: Bezahlung nach Erfolg und Gewinn - Verbreitung und tarifliche Regulierung, in: WSI-Tarifhandbuch 2007

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrem Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen