Quelle: HBS
Böckler ImpulsEnergiepreisbremsen: Erfolgreicher Eingriff
Die Preisbremsen für Gas und Strom haben sich bewährt. Warum das mittlerweile sogar der Internationale Währungsfonds anerkennt, erklärt IMK-Direktor Sebastian Dullien.
Dass die Bundesregierung nach dem Überfall auf die Ukraine die Energiepreise mit Subventionen stabilisiert hat, war unter Ökonominnen und Ökonomen umstritten. Warum?
Sebastian Dullien: Normalerweise heißt es, die Zentralbank ist zuständig für die Preisstabilität. In den üblichen makroökonomischen Modellen kommt Inflation daher, dass die Wirtschaft schneller wächst, als sie nachproduzieren kann. Dann steigen die Gewinne und die Preise für Güter, bei denen es Engpässe gibt. Nach dieser Lesart war die Energiekrise ein gesamtwirtschaftlicher Angebotsschock. Es konnte weniger produziert werden, sodass die Nachfrage, selbst wenn sie leicht zurückgegangen ist, viel zu hoch für das Angebot war. In einer solchen Situation ist vorgesehen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gedämpft werden muss.
Wo irren die Modelle?
Wir im IMK haben damals argumentiert, dass man unterscheiden muss zwischen einem Angebotsschock, bei dem Produktionsanlagen zerstört werden, etwa durch einen Krieg oder ein Erdbeben. Und einer Situation, in der der Input, also die Energie, teurer geworden, aber noch vorhanden ist. Denn wir hatten ja keinen physischen Mangel an Energie, sondern einfach nur sehr, sehr teure Energie. In einer solchen Situation haben nationale Regierungen sehr wohl die Möglichkeit, Preise zu beeinflussen – wie es hierzulande mit der Gas- und Strompreisbremse geschehen ist und wie es auch viele andere europäische Länder getan haben.
Wie gut hat das funktioniert?
Der Internationale Währungsfonds (IWF), der ursprünglich vor expansiver Finanzpolitik gewarnt hatte, kommt in einem Papier zu dem Ergebnis, dass das genau die richtige Politik war. Sie hat dazu geführt, dass die Inflation in der Eurozone insgesamt auf dem Höhepunkt 10,6 Prozent betragen hat. Ohne Eingriffe wären es 13,7 Prozent gewesen. Wenn man probiert hätte, denselben Effekt durch Zinserhöhungen oder eine restriktive Finanzpolitik zu erzielen, dann hätte das einen wesentlich schlimmeren Einbruch der Wirtschaftsleistung bedeutet. Peter Bofinger, früher Mitglied im Sachverständigenrat, kommt in einer IMK-Studie zu ähnlichen Resultaten.
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Gibt es einen Haken an den Preisbremsen?
Es ist wirklich alles besser, als es in den Alternativszenarien gewesen wäre. Es ist nicht nur so, dass der Staat die Energiepreise reduziert hat und dadurch, rein rechnerisch, die Inflation gesunken ist. Der IWF zeigt, dass auch andere Preise stabilisiert wurden. Ohne die staatlichen Eingriffe hätte es noch viel stärkere indirekte Preissteigerungen gegeben, weil dann zum Beispiel der Bäcker mit seinen höheren Gasrechnungen die Brötchenpreise noch weiter erhöht hätte.
Hat angesichts dieser Befunde ein Umdenken in der Ökonomie eingesetzt?
Ich glaube, dass mittlerweile viele die Gas- und Strompreisbremsen in Deutschland als Erfolg sehen. Selbst die Europäische Zentralbank war wahrscheinlich dankbar dafür, dass die Regierungen in der Eurozone solche Maßnahmen ergriffen haben. Das ist in den Reden ihrer Präsidentin Christine Lagarde durchgeschienen. Trotzdem ist es noch lange nicht Mainstream, was der IWF schreibt. Er spricht selbst von „unkonventioneller Fiskalpolitik“. Und es gibt immer Leute, die unkonventionelle Dinge ablehnen. Daher glaube ich, die Debatte ist noch nicht entschieden, aber sie bewegt sich in die richtige Richtung. Es ist jetzt zumindest keine Extremisten- oder Außenseiterposition mehr, so zu argumentieren, wenn der IWF das auch so sieht. Aber es ist eben auch ein Diskussions- und Lernprozess. Dabei zeigt sich, dass die Welt manchmal komplexer ist, als uns das die ökonomischen Modelle suggerieren.
Sebastian Dullien ist Wissenschaftlicher Direktor des IMK