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HBS Böckler Impuls

Demokratie: Eine Frage der Klasse

Ausgabe 10/2016

Arbeiter unterscheiden sich in vielen politischen Fragen nach wie vor von anderen Berufsgruppen – und kommen in der Politik oft zu kurz, wie eine Studie zeigt.

Werden Arbeiter in der deutschen Politik gut genug vertreten? Dieser Frage sind Lea Elsässer und Armin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und der Universität Osnabrück nachgegangen. Die Wissenschaftler haben zunächst untersucht, ob es überhaupt eine Arbeiterklasse gibt, die sich in ihren Ansichten von anderen Klassen unterscheidet. Dazu haben sie Antworten zu 700 Fragen aus dem Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen zwischen 1980 und 2012 ausgewertet. Die Fragen spiegeln jeweils aktuelle politische Debatten wider – so wurde beispielsweise nach der Zustimmung zum Mindestlohn oder der Einführung der Riesterrente gefragt, aber auch zu Themen wie einem möglichen Verbot der NPD.

Zwischen den Berufsgruppen – ungelernte Arbeiter, Facharbeiter, einfache Angestellte, qualifizierte Angestellte, Selbstständige und Beamte – stellen die Forscher deutliche Meinungsunterschiede fest. Ungelernte Arbeiter und Selbstständige liegen am weitesten auseinander, die Werte für Zustimmung beziehungsweise Ablehnung unterscheiden sich bei vielen Fragen um 20 bis 30 Prozentpunkte, in einigen Fällen um bis zu 50 Prozentpunkte. Besonders groß sind die Unterschiede in Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Beispiel: Dass die Bundesbahn privatisiert werden soll, befürworteten Anfang der 1990er-Jahre nur 30 Prozent der ungelernten Arbeiter, bei den qualifizierten Angestellten und Beamten betrug die Zustimmung dagegen fast 60 Prozent, unter den Selbstständigen rund 70 Prozent. Dagegen kommen völlig unterschiedliche Auffassungen zwischen ungelernten Arbeitern und Facharbeitern selten vor. „Die Befragten innerhalb einer sozialen Klasse sind in ihren Einstellungen systematisch ähnlicher als Befragte aus unterschiedlichen sozialen Klassen“, schreiben Elsässer und Schäfer.

Die nächste Frage der Forscher war, inwieweit die Politik die Anliegen der Arbeiter berücksichtigt. Schließlich könnten Vertreter bestimmter Gruppen dazu neigen, vor allem die Interessen der von ihnen repräsentierten Menschen zu vertreten. Der Bundestag sei zwar nicht wie die Parlamente in manchen anderen Ländern eine Versammlung der Reichen, werde aber von Besserverdienern und Beamten dominiert, urteilen die Wissenschaftler. Abgeordnete aus der Arbeiterschaft gebe es dagegen kaum – und damit wenige, die die Belange der Arbeiter aus eigener Perspektive kennen und teilen. Ob dies Ursache oder Folge wachsender Politikverdrossenheit ist, lässt sich schwer nachweisen. Klar ist, dass Arbeiter seltener wählen gehen als andere Gruppen. Das Nichtwählen habe seit den 1980er-Jahren in den unteren sozialen Schichten weitaus stärker zugenommen als in den mittleren und oberen Schichten, schreiben Elsässer und Schäfer.

Ihr Fazit: Arbeiter haben „weiterhin in vielen Bereichen andere Einstellungen“ als Menschen aus anderen sozialen Klassen – wir leben also keineswegs in einer klassenlosen Gesellschaft. Gleichzeitig sind Arbeiter „weniger am politischen Prozess beteiligt“. Auch in Deutschland müsse wie in den USA eine Debatte um den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und politischer Repräsentation geführt werden.

Lea Elsässer, Armin Schäfer: Group Representation for the Working Class? (pdf), MPIfG Discussion Paper 16/3

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