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HBS Böckler Impuls

Kinderbetreuung: Ein Gütesiegel für die Kita

Ausgabe 10/2007

Der Ausbau der Kinderkrippen ist beschlossene Sache. Damit nicht nur die Zahl der Plätze steigt, sondern auch die Betreuung besser wird, fordern Wissenschaftler ein systematisches und flächendeckendes Qualitätsmanagement.

Eltern sind oft ratlos. Denn von außen ist schwer zu beurteilen, was eine Kindertageseinrichtung leistet - und ob der pädagogische Ansatz dem eigenen Kind gerecht wird. Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat die Sozialwissenschaftlerin Sybille Stöbe-Blossey vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) mit ihrem Team im In- und Ausland erprobte Qualitätskonzepte für Betreuungseinrichtungen untersucht.* Bewertungsmethoden wie die Kindergarten-Einschätz-Skala (KES) sollen einerseits Transparenz schaffen: Bekommen Kinder ausreichende Anregung und Zuwendung, ist genügend qualifiziertes Personal vorhanden? Andererseits sollen solche Konzepte Verbesserungsprozesse anstoßen. Etwa Defizite bei den Öffnungszeiten beheben. Oder absehbare Personalengpässe durch den geplanten Ausbau der Kleinkinderbetreuung. Die Wissenschaftlerinnen raten, alle Betreuungseinrichtungen in Deutschland zu einer Qualitätszertifizierung zu verpflichten. Dies könnte unter Aufsicht einer länderübergreifenden Akkreditierungsagentur geschehen.

Der Kindergarten wird heute als "Elementarstufe des Bildungssystems" angesehen, so die Autorinnen der Studie. "Der alten Vorstellung, Bildung und Lernen seien Dinge, die warten könnten, bis die Kinder in die Schule kommen, ist durch Erkenntnisse der modernen Pädagogik und Psychologie schon längst der Boden entzogen." Vor allem empirische Studien aus den USA belegen, dass die frühkindliche Erziehung entscheidend für die langfristige Entwicklung von Kindern ist. Auch veränderte Gesellschaftsstrukturen stellen Kindergärten und Kitas vor neue Herausforderungen: Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Familien mit Migrationshintergrund, mobile Mütter und Väter, die weit entfernt von Großeltern und übriger Verwandtschaft leben, Familien in Armut, überforderte Eltern - sie alle brauchen besondere Unterstützung. Betreuungseinrichtungen müssen daher zunehmend "kompensatorische Funktionen" übernehmen, so die Wissenschaftlerinnen.

Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, haben viele Betreuungseinrichtungen in Deutschland und anderswo Kriterienkataloge zur Bewertung der Betreuungsqualität entwickelt. Ein solches Kontrollinstrument ist die nach amerikanischem Vorbild geschaffene KES. Dabei werden die Abläufe im Kindergarten genau beobachtet und ausführlich dokumentiert: Werden die Kleinen individuell begrüßt und verabschiedet? Sitzen die Kinder nur die Zeit ab oder sind sie durchgehend beschäftigt? Können sie sich körperlich austoben, werden sie geistig gefordert und fühlen sich emotional geborgen? Findet ein intensiver Austausch zwischen Erziehern und Eltern statt? Insgesamt umfasst der Katalog 37 Einzelkategorien von Feinmotorik bis Rollenspiel. Enthalten sind außerdem die räumliche Ausstattung und die Arbeitszufriedenheit der Betreuerinnen. Eine wichtige Rolle spielen auch Qualifikationsaspekte wie Fortbildungsmöglichkeiten. Während solche Bewertungsverfahren in Deutschland oft noch im Erprobungsstadium sind, gibt es in den USA bereits verbindlich vorgeschriebene Evaluationen. So bekommen Kindertageseinrichtungen in North Carolina Noten nach einem aus der Hotelbranche bekannten System: bis zu fünf Sternen. Erfasst werden zum Beispiel Ausbildung und Berufserfahrung der Erzieher oder Personal-Kind-Schlüssel. Wer bei der Bewertung nicht in allen abgefragten Teilbereichen  eine Mindestpunktzahl erreicht, verliert die Lizenz.

Einige Träger von Betreuungseinrichtungen orientieren sich an Managementtechniken aus der Wirtschaft, damit Bemühungen um Qualitätsverbesserungen nicht nach kurzer Zeit wieder einschlafen. Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Arbeiterwohlfahrt haben Richtlinien entwickelt, die an die ISO-Normen für Qualitätsmanagementsysteme angelehnt sind. Erzieher werden damit verpflichtet, bestimmte Ziele zu erreichen. Erfolge und Misserfolge müssen dokumentiert werden.

Damit Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen flächendeckend zum Einsatz kommt, reiche es nicht aus, sich auf freiwillige Initiativen zu verlassen, schreiben Stöbe-Blossey und ihre Mitautorinnen. Vielmehr solle künftig gelten: keine Betriebserlaubnis ohne Zertifizierung. Nur so ließen sich den Einrichtungen verbindliche Ziele - insbesondere Bildungsziele - vorgeben und mehr Transparenz für Eltern schaffen. Bewertungsmechanismen wie das Fünf-Sterne-System würden die Anreize für Betreuungseinrichtungen erhöhen, verstärkt auf Qualitätsfragen zu achten. Angesichts sinkender Kinderzahlen und wachsender Konkurrenz rechnen die Wissenschaftlerinnen damit, dass die Betreuungsanbieter großes Interesse an ihrem Qualitätsimage entwickeln werden. Wichtig sei bei allen Maßnahmen, dass tatsächlich pädagogische Kriterien im Mittelpunkt stehen - und aus der Wirtschaft abgeschaute Kontrollmechanismen nicht als "Legitimierung für Einsparstrategien" missbraucht werden.

  • Nur bei den Kleinsten ist öffentliche Betreuung die Ausnahme. Zur Grafik

Karin Esch, Elke Katharina Klaudy, Brigitte Micheel, Sybille Stöbe-Blossey: Qualitätskonzepte in der Kindertagesbetreuung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. mehr Infos zum Buch

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