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Arbeitszeit: Doppelt arbeiten macht nicht zufrieden

Ausgabe 20/2024

Zerstückelte Arbeitszeiten mögen die Bewältigung des Alltags erleichtern. Zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance sind Beschäftigte, die ihre Arbeit länger für private Zwecke unterbrechen, aber nicht.

„Ich mache jetzt Schluss und logge mich heute Abend noch mal ein.“ Diesen Satz hätte vor 30 Jahren niemand verstanden, in Zeiten mobiler Arbeit an Laptop und Handy klingt er selbstverständlich. Vor allem im Homeoffice haben immer mehr Beschäftigte die Möglichkeit, Erwerbsarbeit und familiäre Verpflichtungen oder andere private Aktivitäten durch geteilte Tage unter einen Hut zu bekommen. Wie geht es Menschen, die ihre Arbeit regelmäßig unterbrechen, etwa wenn die Kinder aus der Schule kommen, um später am Abend noch eine zweite Schicht einzulegen? Genießen sie ihre Freiheit in puncto Zeiteinteilung oder sind solche Arrangements eher eine Notlösung, um die verlangte Arbeitsmenge überhaupt bewältigen zu können? Bleibt noch genügend Zeit zur Erholung? Welche Unterschiede gibt es zwischen Frauen und Männern, zwischen Menschen mit und ohne Kinder? Das haben WSI-Forscherin Yvonne Lott und Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) untersucht. 

Ihre Studie basiert auf Daten der repräsentativen BAuA-Arbeitszeitbefragungen aus den Jahren 2019 und 2021 – zwei Zeitpunkten, zwischen denen sich das zeit- und ortsflexible Arbeiten infolge der Corona-Pandemie erheblich verbreitet hat. Auch die Arbeitszeitfragmentierung hat in dieser Zeit „leicht zugenommen“, wie die Forschenden feststellen. Dennoch handelt es sich dabei nicht um ein Massenphänomen. 4 Prozent der Beschäftigten – ohne Schichtarbeitende, die ihre Zeit nicht selbst einteilen können – unterbrechen ihre Arbeit „häufig“ und machen am Abend nach 19 Uhr weiter. Bei 10 Prozent kommt das „manchmal“ vor, bei 27 Prozent „selten“. Die Mehrheit gibt an, nie so zu arbeiten. Abgefragt wurden ausschließlich freiwillige Unterbrechungen aus privaten Gründen.
 
Im nächsten Schritt haben Lott und Backhaus geschaut, wie die Betroffenen auf andere Fragen zu Arbeitszeit, Job oder Familie geantwortet haben, und statistische Auffälligkeiten herausgearbeitet. Dabei haben sich nicht alle Vermutungen bestätigt. Beispielsweise ist die Frage, ob jemand Kinder hat oder nicht, für den Zusammenhang zwischen fragmentierten Arbeitszeiten und Faktoren wie Stress weniger entscheidend als gedacht. Dennoch gibt es eine Reihe signifikanter Ergebnisse:

  • Arbeitszeitfragmentierung und Zeit- oder Leistungsdruck hängen zusammen. Sei es, dass der zweigeteilte Arbeitstag mit mehrfachem Rollenwechsel selbst den Stresslevel erhöht oder dass die Arbeit anders gar nicht zu schaffen wäre.
  • Arbeitszeitfragmentierung geht oft mit langen – und nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gesundheitlich problematischen – Wochenarbeitszeiten einher. Ausnahme: Im Gegensatz zu Männern und kinderlosen Frauen arbeiten Mütter insgesamt nicht länger, wenn sie einen Teil des Jobs in die Abendstunden verlagern. Wegen der Sorgearbeit zu Hause bleibe ihnen schlicht nicht die Zeit dazu, vermuten die Forschenden.
  • Bei fragmentierter Arbeit kommen die Ruhezeiten – gesetzlich vorgeschrieben sind elf Stunden am Stück – oft zu kurz. Dies habe „massive Auswirkungen auf die Erholung, den Schlaf, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, das Unfallgeschehen, aber auch auf Gesundheit und Wohlbefinden“, warnen Lott und Backhaus.
  • Je häufiger Beschäftigte mit fragmentierten Zeiten arbeiten, desto schlechter bewerten sie ihre Work-Life-Balance. Was bedeuten dürfte, „dass die Unterbrechung der Arbeitszeit für private Verpflichtungen zwar eine Vereinbarkeit grundsätzlich ermöglicht, aber nicht zwangsläufig zu einer höheren Zufriedenheit“ führt, so die Forschenden. 
  • Frauen nehmen einen größeren Zeit- und Leistungsdruck wahr. Möglicherweise, weil sie im Fall von Teilzeitarbeit besonders unter Strom stehen, um das Pensum zu schaffen, oder weil sie sich als Frauen in einem traditionellen Arbeitsumfeld besonders beweisen müssen.


In ihrem Fazit schreiben Lott und Backhaus, die Möglichkeit, die Erwerbsarbeit etwa für Kinderbetreuung oder Hausarbeit zu unterbrechen, werde „an vielen Stellen in der öffentlichen Debatte als positiv und familienfreundlich dargestellt“. Die Auswertung zeige jedoch, dass gerade Frauen mit fragmentierten Arbeitszeiten keineswegs zufriedener mit der Balance zwischen Beruflichem und Privatem sind als andere. Im Gegenteil. Daher wäre es „illusorisch zu glauben, eine weitere Aufweichung von Arbeitszeitgrenzen würde Deutschland zu einem familienfreundlicheren und wirtschaftlich erfolgreicheren Land machen“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. „Gerade, wenn die Erwerbsarbeit unterbrochen wird, um Sorgearbeit zu verrichten, machen die Beschäftigten keine Pause, sondern arbeiten – wenn auch unbezahlt – weiter. Wir sind als Gesellschaft darauf angewiesen, dass diese unbezahlte Arbeit verrichtet wird; sie ist kein Privatvergnügen. Verbindliche Obergrenzen für einzelne Arbeitstage und klare Regelungen für Ruhezeiten im Erwerbsjob haben daher eine wichtige Funktion für die Gesundheit von Beschäftigten – was Arbeitgebervertreter erstaunlich oft ignorieren.“ Zudem zeige die Untersuchung, wie wichtig eine funktionierende soziale Infrastruktur sei, beispielsweise eine verlässliche öffentliche Kinderbetreuung.

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Yvonne Lott, Nils Backhaus: Zusammenhänge zwischen Arbeitszeitfragmentierung, Zeit- oder Leistungsdruck, Arbeitszeit, Ruhezeit und Work-Life-Balance: Welche Rolle spielen Geschlecht und Elternschaft?, Sozialpolitik.ch 1/2025

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