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HBS Böckler Impuls

Bildung: Doktoren selten aus Arbeiterfamilien

Ausgabe 18/2014

Die Chancen auf einen Doktortitel sind ziemlich ungleich verteilt: Ob Absolventen promovieren, hängt zu einem beträchtlichen Teil von ihrer sozialen Herkunft ab.

Dass es im Bildungswesen eine soziale Unwucht gibt, ist bekannt: Die Sprösslinge von Akademikern hätten Schätzungen zufolge eine fast doppelt so große Chance wie Arbeiterkinder, die gymnasiale Oberstufe zu erreichen, schreibt Steffen Jaksztat. Nach dem Abitur entschieden sie sich zu 88 Prozent für ein Studium, die Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien nur zu 53 Prozent. Der Sozialwissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat untersucht, inwieweit der Status des Elternhauses auch nach dem Studium noch eine Rolle spielt – nämlich bei der Entscheidung für eine Promotion. Seine Analyse zeigt, dass es hier in der Tat soziale Unterschiede gibt, die durch Leistung allein nicht erklärbar sind.

Die Relevanz seiner Untersuchung macht Jaksztat zum einen an der Zahl der Doktoranden fest: Laut Statistischem Bundesamt dürften es in Deutschland mehr als 200.000 sein. Während 1993 etwa 21.000 Promotionen abgeschlossen wurden, waren es 2012 fast 27.000. Zum anderen verleihe ein Doktortitel nicht nur gesellschaftliches Ansehen, sondern erleichtere auch das berufliche Fortkommen. Ein sozial ungleicher Zugang zur Promotion würde demnach auch zu sozial ungleichen Karrierechancen beitragen.

Ob es solche Ungleichheiten gibt, hat der Forscher mithilfe einer Absolventenbefragung des Prüfungsjahrgangs 2005 untersucht, die das DZHW in den Jahren 2006 und 2010 durchgeführt hat. Für seine Analyse standen ihm Daten von über 3.200 Personen zur Verfügung. Diese Daten weisen ein eindeutiges Muster auf: „Es ist klar erkennbar, dass der Anteil derjenigen, die in den ersten fünf Jahren nach dem Examen mit einer Promotion beginnen, deutlich mit der Bildungsherkunft variiert“, so Jaksztat. Befragte, deren Eltern beide keinen Hochschulabschluss haben, versuchen sich zu 25,9 Prozent als Doktoranden. Bei einem Elternteil mit Uni- oder FH-Abschluss sind es 32 Prozent. Sind beide Eltern Akademiker, promovieren dagegen 41,5 Prozent der Absolventen. Wenn Alter und Geschlecht herausgerechnet werden, ist die Promotionswahrscheinlichkeit bei Personen mit zwei Akademikereltern 14 Prozentpunkte höher als bei Arbeiterkindern.

Um zu überprüfen, worauf diese Unterschiede beruhen, hat der Wissenschaftler zum einen Examens- und Abiturnoten berücksichtigt. Höher gebildete Eltern hätten mehr Möglichkeiten, den Nachwuchs auf seinem Bildungsweg zu unterstützen und kognitive Fähigkeiten frühzeitig zu fördern. Daher sei davon auszugehen, dass Kinder aus einem akademischen Elternhaus leichter gute Noten erreichen können, die wiederum Voraussetzung für eine Promotion seien. Tatsächlich sinkt der Einfluss des sozialen Hintergrunds, wenn Noten in die Analyse einbezogen werden, er verschwindet allerdings nicht. Leistungsunterschiede können etwa 27 Prozent des Herkunftseffekts erklären.

Ein weiterer Erklärungsansatz bezieht sich auf die Fächerwahl: Für welches Studium sich Abiturienten entscheiden, hänge stark mit der sozialen Herkunft zusammen. Zugleich seien die Promotionsquoten von Fach zu Fach sehr unterschiedlich: In der Medizin, wo sich besonders viele höhere Töchter und Söhne tummeln, sei der Doktortitel faktisch der Regelabschluss, so Jaksztat. Laut seinen Berechnungen können 42 Prozent des Herkunftseffekts auf die Fachrichtung zurückgeführt werden.

Zuletzt hat der Sozialwissenschaftler Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskraft oder Tutor betrachtet. Wenn es um die Besetzung entsprechender Stellen geht, komme Studierenden aus akademischem Elternhaus zugute, dass sie mit dem Hochschulmilieu kulturell besser vertraut sind. Das erleichtere die Kontaktaufnahme mit Professoren und erhöhe die Wahrscheinlichkeit, einen Hiwi-Job zu ergattern. Ein solcher Job wiederum sei eine gute Möglichkeit, sich fachlich weiterzuentwickeln und münde oft in eine Promotion. In der Tat wirken sich Tätigkeiten als Hilfskraft signifikant auf die Promotionswahrscheinlichkeit aus und können 15 Prozent der sozialen Unterschiede erklären.

Eine stärkere Integration von Studierenden aus nicht-akademischen Schichten in den Lehr- und Forschungsbetrieb, so Jaksztats Schlussfolgerung, wäre ein möglicher Weg, soziale Ungleichheiten beim Übergang in die Promotionsphase abzubauen. Das würde beispielsweise voraussetzen, die Rekrutierungspraktiken für Hiwi-Jobs auf ihre soziale Selektivität hin zu überprüfen.

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Die Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung

Mit über 2.600 Stipendiaten ist die Hans-Böckler-Stiftung eines der größten Studienförderwerke Deutschlands. Als erstes der deutschen Begabtenförderungswerke hat sie es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, auch und gerade Talente aus bildungsbenachteiligten Bevölkerungsschichten zu unterstützen. Die geförderten Studierenden kommen zu 62 Prozent aus Nicht-Akademikerfamilien, verfügen zu 55 Prozent über Berufserfahrung vor dem Studium, sind zu 51 Prozent Frauen und haben zu 25 Prozent einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2013 studierten 1.541 von ihnen an Universitäten, 584 an Fachhochschulen, 491 erhielten ein Promotionsstipendium, 50 beschritten den Zweiten Bildungsweg.
Verschiedene Programme richten sich explizit an benachteiligte Gruppen: Die Böckler-Aktion Bildung unterstützt Schüler, die ihren Studienwunsch nicht verwirklichen, weil sie glauben, sich ein Studium nicht leisten zu können. Bewerben können sich Schüler, die auf dem Weg zu Abitur oder Fachhochschulreife sind oder sich erst kürzlich für den Hochschulzugang qualifiziert haben. Voraussetzung: Das Familieneinkommen und Vermögen muss so bemessen sein, dass ein voller BAföG-Anspruch besteht. Das Modellprojekt „Dritter Bildungsweg“ soll beruflich Qualifizierten ohne Abitur den Weg ins Studium erleichtern. Die Geförderten können unter zwölf Studiengängen an der Universität Duisburg-Essen und sieben Studiengängen an der Hochschule Niederrhein in Krefeld auswählen. Teil des Programms sind vorbereitende Seminare und Kurse. Während des Studiums stehen kleine Lerngruppen und spezielle Ansprechpartner der Hochschulen und der Hans-Böckler-Stiftung zur Verfügung.

  • Ob Absolventen promovieren, hängt zu einem beträchtlichen Teil von ihrer sozialen Herkunft ab. Zur Grafik

Steffen Jaksztat: Bildungsherkunft und Promotionen: Wie beeinflusst das elterliche Bildungsniveau den Übergang in die Promotionsphase? In: Zeitschrift für Soziologie 4/2014

mehr Infos zur Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung

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