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HBS Böckler Impuls

Digitalisierung: Dienstleister besonders betroffen

Ausgabe 08/2018

Die Digitalisierung beschränkt sich nicht auf die Produktion. Am meisten verändern sich Dienstleistungsberufe.

Die Digitalisierungsdebatte hat eine Schlagseite. Darauf macht ein Expertenteam der Hans-Böckler-Stiftung aufmerksam. Während fast alle auf die Produktion schauen und Armeen von smarten Robotern durch die Debatte geistern, finden die größten Veränderungen woanders statt, nämlich bei den Dienstleistungsberufen. Ob in Banken, Arztpraxen und Krankenhäusern, der Stadtverwaltung oder im Güterverkehr: Überall verändert Technik die Arbeitsabläufe, manchmal radikal. Dank SAP & Co. lassen sich Kopfarbeit und Verwaltung ebenso rationalisieren, takten, kontrollieren und optimieren wie die Arbeit am Fließband. Maschinelles Lernen und Big Data verändern die Kopfarbeit von Grund auf. Gleichzeitig revolutioniert agiles Arbeiten die Welt der Büros. Ob die nächste Welle der Technikeinführung für die Beschäftigten mehr Vorteile oder Nachteile hat, hängt den Eperten zufolge davon ab, was die arbeitsmarktpolitischen Akteure daraus machen. 

Warum sind gerade Dienstleistungen von technologischen Umbrüchen betroffen? Die Forscher erklären dies mit den dort vorherrschenden Kostenstrukturen, die einen besonderen Anreiz zu Rationalisierungen bieten: Hier sind nicht Gebäude oder Maschinen, sondern die Personalausgaben der entscheidende Faktor. Manager sinnen zwar seit eh und je, wie daran gespart werden könnte, dennoch galten Dienstleistungen lange Zeit als nicht rationalisierbar. Die Digitalisierung ändert das: In jüngster Zeit hat ein Rationalisierungsschub eingesetzt, der die Veränderungsdynamik in Teilen der produzierenden Wirtschaft in den Schatten stellt. Die Kunden füllen ihre Bestellformulare, Überweisungen oder Reservierungen am Computer selbst aus, die Weiterverarbeitung erfolgt weitgehend ohne menschliches Zutun. 

Die Forscher werfen auch einen Blick auf die Industrie, wo gerade ein Wandel zu „hybrider Wertschöpfung“ stattfindet. Das heißt: Physische Produkte und dazugehörige Dienstleistungen  werden durch Big Data immer enger verknüpft; der Anteil der Dienstleistung in klassischen Industrien steigt. Beispielsweise verkaufen Autohersteller nicht mehr nur Autos, sondern auch News-Dienste. Die Einschätzung der Forscher: Auch wenn dieses Geschäftsmodell in Deutschland noch eher Vision als Realität ist, finden sich doch in vielen Unternehmen erste Überlegungen und Ansätze – hier wird gerade die Saat für einen erheblichen Wandel von Arbeit und Beschäftigung gelegt. 

Die zwei Seiten der Digitalisierung

Die Folgen der Digitalisierung für die Arbeit sind ambivalent. Einerseits erleben Beschäftigte es als Gewinn, wenn eintönige Verwaltungsarbeiten von Algorithmen übernommen werden. Gleichzeitig kann es sowohl zu Überforderungen als auch zu Unterforderungen kommen, wenn für die menschlichen Beschäftigten nur noch anspruchsvolle Steuerungs- und Überwachungsaufgaben auf der einen Seite und nicht digitalisierbare Hilfsdienste auf der anderen Seite übrigbleiben. Verbunden mit der Digitalisierung von Arbeitsabläufen sind oft auch eine intensivierte Überwachung und eine Entwertung persönlicher Kompetenzen, etwa wenn Beschäftigte ihr Fachwissen und ihre Arbeitsweisen offenlegen müssen, damit die Prozesse digitalisiert werden können. Dass viele Arbeiten dank der Technik nicht mehr ortsgebunden sind – Stichwort mobiles Arbeiten – kommt vielen Arbeitnehmern dagegen gelegen. 

Entsprechend unterschiedlich fallen die Ergebnisse von Befragungen zur Digitalisierung aus. In der WSI-Betriebsrätebefragung 2016 attestieren der Digitalisierung um die 15 Prozent der Arbeitnehmervertreter aus Dienstleistungsbranchen „überwiegend negative Auswirkungen“. Etwas über 40 Prozent sehen eher Vorteile, die übrigen stellen „keine Auswirkungen“ fest. Deutlich kritischer fallen die Urteile allerdings im Finanz- und Versicherungssektor aus: Hier sind 30 Prozent negativ und 30 Prozent positiv gestimmt. In dieser Branche haben Rationalisierung, Standardisierung von Arbeitsprozessen und Überwachung den Forschern zufolge in jüngster Zeit drastisch zugenommen. Das Beispiel zeige, dass ein „Leitbild für die humane Gestaltung von Arbeitsbedingungen“ gebraucht wird, wenn digitale Technologien zum Einsatz kommen. Entscheidend sei stets, dass Beschäftigte bei der Einführung neuer Techniken einbezogen werden. Die betriebliche Mitbestimmung habe hier bewährte Instrumente zur Hand, die Mitspracherechte in Sachen Technik und Datenschutz müssten aber erweitert werden.

  • Besonders in der Finanzbranche sehen Arbeitnehmerverter die Digitalisierung kritisch. Zur Grafik

Elke Ahlers u.a.: Digitalisierung: Dienstleistungsarbeit im Visier (pdf), Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 312, April 2018
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