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HBS Böckler Impuls

Europa: Die unvollendete Währungsunion

Ausgabe 05/2013

Feuerwehreinsätze der Europäischen Zentralbank sind keine Dauerlösung. Die Konstruktionsfehler der Währungsunion müssen erkannt und behoben werden, sagt der Ökonom Paul De Grauwe.

Auch wenn es im nördlichen Europa, vor allem in Deutschland, so gesehen wird: Der Grund für die Eurokrise ist keineswegs eine verschwenderische Haushaltspolitik der Mittelmeerländer, betont der Euro-Experte Paul De Grauwe von der Universität Leuven. Der Wirtschaftsprofessor und leitende Wissenschaftler am Centre for European Policy Studies verweist auf die Schuldenquoten der Euroländer. Zwischen 2000 und 2007 sind sie fast überall gefallen.

Was die Verschuldung südeuropäischer Staaten in den folgenden Jahren in die Höhe getrieben hat, waren laut De Grauwe vor allem private Fehlspekulationen. Diese hätten die Regierungen dazu gezwungen, in die Bresche zu springen. Der Wissenschaftler spricht von einer „tödlichen Umarmung“ zwischen Staaten und Banken: Wenn einer von beiden Sektoren in finanzielle Schwierigkeiten gerate, ziehe er den anderen mit in den Abgrund. Und das könne leicht geschehen, denn Boomphasen mit starker Verschuldung, die in einer Krise enden, seien in der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung eher der Normalfall als eine Ausnahmeerscheinung.

Deshalb hätten die meisten Nationalstaaten Vorkehrungen getroffen, um Konjunkturkrisen abzufedern. Dazu zählen die so genannten automatischen Stabilisatoren im Staatshaushalt: Die Ausgaben, zum Beispiel für die Arbeitslosenunterstützung, steigen in der Rezession automatisch an und wirken der wirtschaftlichen Abwärtsbewegung entgegen. Ein anderer wichtiger Faktor sind nach De Grauwe die Zentralbanken. Diese seien „ursprünglich nicht geschaffen worden, um die Preise stabil zu halten“, sondern wegen der „inherenten Instabilität des Kapitalismus“, also um im Ernstfall sowohl die Banken als auch den Staat zu finanzieren.

Der Konstruktionsfehler der Währungsunion besteht dem Wissenschaftler zufolge darin, dass die einzelnen Eurostaaten auf diese Instrumente zur Krisenbekämpfung verzichten mussten. Statt automatische Stabilisatoren wirken zu lassen, würden sich die Länder nun noch tiefer in die Krise sparen. Zudem haben sie keine eigenen Zentralbanken mehr, die die Stabilisierungsaufgabe übernehmen könnten. Den endgültigen Kollaps haben Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) bisher zwar verhindert, so De Grauwes Analyse. Aber man könne „auf Dauer nicht immer die EZB bitten, die Feuer zu löschen“.

Wenn der Euro überleben soll, ist sich der Wissenschaftler sicher, müsste die Währungsunion zu einer Fiskalunion weiterentwickelt werden und die EZB ihr neues Selbstverständnis als „Lender of last resort“ beibehalten. So könnten die auf nationaler Ebene entfallenen Stabilisierungsinstrumente auf der überstaatlichen Ebene neu errichtet werden.

  • Nicht die Staatsschulden führten zur Krise. Es war andersherum: Die Maßnahmen zur Krisenbekämpfung ließen die Schulden steigen. Zur Grafik

Paul De Grauwe: Design Failures in the Eurozone: Can they be fixed? (pdf), LSE Discussion Paper, London School of Economics, Februar 2013

Vortrag von Paul De Grauwe (mp3)

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