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Die Klimalücke Böckler Impuls

Finanzpolitik: Die Klimalücke

Ausgabe 14/2022

Die Transformation erfordert erhebliche öffentliche Zusatzausgaben. Ohne Reform der Schuldenbremse und Steuererhöhungen wird es besonders für Länder und Kommunen eng.

Könnte alles weiter gehen wie bisher, bestünde wenig Grund zur Sorge um die öffentlichen Finanzen. Angesichts der erwarteten Steuereinnahmen wäre selbst die Rückzahlung der Kredite zur Bewältigung der Coronakrise kein ernsthaftes Problem. Allerdings macht die sozial-ökologische Transformation enorme Zusatzausgaben auf allen staatlichen Ebenen nötig. Das Ziel ist Klimaneutralität bis 2045 ohne massive soziale Verwerfungen. Parallel müssen die Infrastruktur modernisiert und die Digitalisierung vorangebracht werden. Insgesamt sind zusätzliche investive Ausgaben in Höhe von 600 bis 800 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren notwendig. Zu diesem Schluss kommen Sebastian Dullien und Katja Rietzler vom IMK gemeinsam mit Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die einschlägige Studien und Modellrechnungen ausgewertet haben. 

Die Transformation erfordert erhebliche zusätzliche Mittel, weil die bloße Einführung neuer Regeln und die CO2-Bepreisung nicht ausreichen dürften. Der Staat, so die Wirtschaftswissenschaftler und die -wissenschaftlerin, werde sich an der Finanzierung einer CO2-neutralen Infrastruktur beteiligen, die Umstellung der Produktion in Unternehmen zumindest zeitweise subventionieren und vor allem für sozialen Ausgleich sorgen müssen – etwa Geringverdienende unterstützen, die massiv unter steigenden Energiepreisen leiden, weil sie sich weder eine ausreichend gedämmte Wohnung noch ein Elektroauto leisten können.

Nach der Corona-bedingten Ausnahmephase will die Bundesregierung im kommenden Jahr wieder zu den Regeln von Schuldenbremse und EU-Fiskalpakt zurückkehren. Würde sie alle bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen, könnte es nach Einschätzung der Forschenden dennoch gelingen, jährlich einen „mittleren zweistelligen Milliardenbetrag“ für die wesentlichen investiven Ausgaben zusammenzubekommen. Dazu wäre die „Mobilisierung von Kreditfinanzierungspielräumen im Rahmen der gesetzlichen Schuldenbremse“ nötig, etwa durch Sondervermögen zur Finanzierung von Investitionen, die nicht unter die Beschränkungen der Schuldenbremse fallen. Nicht genutzte Kreditermächtigungen aus der Coronakrise wurden zudem zur Befüllung des Klima- und Transformationsfonds genutzt, was rechtlich allerdings umstritten ist. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Maßnahmen. So würde der Abbau ökologisch schädlicher Subventionen weitere Mittel freisetzen. Finanztechnische Korrekturen bei der Anwendung der Schuldenbremse könnten den Spielraum für die Kreditfinanzierung wachstumsfördernder Zukunftsinvestitionen um zehn Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.

Schwieriger ist die Lage bei den Kommunen. Sie sind für einen erheblichen Teil der öffentlichen Investitionen zuständig, etwa für 60 Prozent der Bauinvestitionen. Wobei vielerorts ein erheblicher Investitionsstau besteht. Und mit der Transformation kommen viele neue Aufgaben auf Städte und Gemeinden zu, etwa der Ausbau des ÖPNV, des Fuß- und Radwegenetzes, Gebäudesanierung, klimagerechter sozialer Wohnungsbau, Fernwärme, Hochwasserschutz. Für die kommenden zehn Jahre rechnen Dullien, Rietzler und Truger mit einem Investitionsbedarf von 250 bis 300 Milliarden Euro. Nötig ist außerdem der Ausbau der Planungsabteilungen, was zu zusätzlichen Personalkosten führt. 

2020 standen die Kommunen dank Corona-bedingter Unterstützung durch Bund und Länder finanziell recht gut da und wiesen in der Summe sogar einen Haushaltsüberschuss auf. 2021 profitierten sie von relativ hohen Steuereinnahmen. Auch die Lage der über kommunalen Finanzausgleich und Zuweisungen eng mit den Kommunen verflochtenen Landeshaushalte erscheint „auf den ersten Blick“ gut, so die IMK-Analyse. „Würde es in den kommenden Jahren allein darum gehen, die Coronakrise zu überwinden und die öffentlichen Haushalte wieder auszugleichen, so wäre der Ausblick günstig“. Angesichts der Investitionsrückstände und nötigen Ausgaben für Klimaschutz offenbare sich jedoch eine „erhebliche Finanzlücke“: Da die Länder die Vorgaben der – unreformierten – Schuldenbremse einhalten müssen, fehle ihnen das Geld für die nötigen Zuweisungen an die Kommunen. Nun zeige sich „das größte Manko der Finanzpolitik der neuen Bundesregierung: dass sie sich nicht auf Steuerreformen zur dauerhaften Stärkung der Einnahmen zugunsten von Ländern und Kommunen einigen konnte“. Vorerst raten Dullien, Rietzler und Truger den Ländern, die im Rahmen der Schuldenbremse verbleibenden Finanzierungsmöglichkeiten stärker auszuschöpfen, wie es auch der Bund tut. Langfristig führe an einer Revision der Schuldenbremse und höheren Steuern auf große Einkommen aber kein Weg vorbei, so IMK-Direktor Dullien.

Sebastian Dullien, Katja Rietzler, Achim Truger: Die Corona-Krise und die sozial-ökologische Transformation: Herausforderungen für die Finanzpolitik, WSI-Mitteilungen 4/2022, Juli 2022

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