Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerdienste: Die innerdeutsche Lohnlücke
Im Osten verdienen Beschäftigte bei gleicher Qualifikation 14 Prozent weniger als im Westen. Die Mindestlohnerhöhung sorgt für eine Annäherung im unteren Entgeltbereich.
Auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Löhne in Ostdeutschland deutlich geringer als in den alten Bundesländern. Insgesamt beträgt der Abstand 13,7 Prozent, wenn man Beschäftigte gleichen Geschlechts, im gleichen Beruf und mit vergleichbarer Berufserfahrung betrachtet. Je nach Beruf kann die Gehaltslücke für Vollzeitbeschäftigte monatlich bis zu 1000 Euro brutto betragen. Das ergibt eine Auswertung des WSI-Portals Lohnspiegel.de, die auf Angaben von 188 000 Beschäftigten basiert. Die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober 2022 führt demnach vor allem im unteren Entgeltbereich zu einer Annäherung der Verdienste, da im Osten anteilig mehr Beschäftigte davon profitieren. Bei Entgelten oberhalb des Mindestlohns ist hingegen oft entscheidend, ob der Arbeitgeber nach Tarifvertrag bezahlt. „Ostdeutsche Betriebe sind deutlich seltener an einen Tarifvertrag gebunden, als dies im Westen der Fall ist“, sagt WSI-Experte Malte Lübker. Der Weg zu fairen Löhnen für alle führe über eine Stärkung der Tarifbindung.
Besonders deutliche Gehaltsunterschiede gibt es der Auswertung zufolge in vielen technischen Berufen. Maschinenbautechnikerinnen und -techniker mit zehn Jahren Berufserfahrung etwa verdienen im Osten durchschnittlich 3480 Euro und im Westen 4170 Euro im Monat. Bei Maschinenbauingenieurinnen und -ingenieuren beträgt der Unterschied sogar 1030 Euro. „Den Beschäftigten in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie kommt dabei zugute, dass die Tarifbindung hier noch relativ hoch ist“, erläutert Lübker. Auch zwischen den ostdeutschen Ländern gibt es ein merkliches Gefälle. In Brandenburg ist, auch aufgrund des prosperierenden Berliner Umlandes, der Rückstand gegenüber dem Westen mit 10,6 Prozent am geringsten, in Sachsen mit 14,8 Prozent am höchsten.
Anders als bei den tatsächlich gezahlten Gehältern gibt es bei den Tariflöhnen keine wesentlichen Ost-West-Unterschiede mehr. Das tarifliche Entgeltniveau in Ostdeutschland lag 2021 bei 98 Prozent des Westniveaus, verglichen mit 60 Prozent im Jahr 1991. „Die weitgehende Angleichung der Tariflöhne ist ein Erfolg der Gewerkschaften – und ein oft unterschätzter Beitrag zur Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West“, so der WSI-Experte. Bei Arbeitszeit und Sonderzahlungen sei eine Anpassung an die in Westdeutschland üblichen Regelungen in einigen Branchen allerdings bisher am Widerstand der Arbeitgeber gescheitert.