Quelle: HBS
Böckler ImpulsUnternehmensteuern: Die Großen schlüpfen durch die Maschen
Die große Koalition berät intensiv über eine Reform der Unternehmensteuern. Das Ziel: eine Senkung der Steuerbelastung. Die tatsächlich gezahlten Steuern sind jedoch jetzt schon relativ niedrig, argumentieren WSI und IMK. Hauptproblem des deutschen Steuersystems: zu viele Schlupflöcher. Diese nutzten gerade die großen, international agierenden Konzerne intensiv.
Aus den hohen Steuersätzen wird in der öffentlichen Diskussion oft fälschlicherweise auf eine ebenso hohe faktische Belastung der Unternehmen geschlossen. Diese sei schädlich für den Standort, hemme Investitionen und damit Wachstum und Beschäftigung. Dabei sei völlig unklar, wie groß die Effekte wirklich sind, so die Steuerexperten aus IMK und WSI, Achim Truger und Claus Schäfer: "Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die Senkung der Unternehmensteuern zur Belebung der Wirtschaft taugt." Schlagendes Argument gegen eine Steuersenkung: die große Unternehmensteuerreform 2001. Für Kapitalgesellschaften verringerten sich die tariflichen Sätze für Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag insgesamt um mehr als ein Viertel, von 51,8 auf 38,6 Prozent. Für Personenunternehmen sanken die Steuersätze im Zuge der Steuerreform 2000: Sie profitierten von der schrittweisen Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von 2001 bis 2005. Damit sank die steuersatzmäßige Belastung der Personengesellschaften um ein Sechstel - von 54,5 auf 45,7 Prozent. Die Steuergeschenke für die Unternehmen bewirkten vor allem eines: Sie rissen ein riesiges Loch in den Staatshaushalt. Das Bundesfinanzministerium schätzt den reformbedingten Verlust an Steueraufkommen auf etwa zwölf Milliarden Euro jährlich. Die erhofften positiven Impulse für Wachstum und Beschäftigung blieben jedoch aus.
Gerade die großen, international tätigen Kapitalgesellschaften tragen in Deutschland im internationalen Vergleich nur sehr wenig zum Steueraufkommen bei. Der Grund sind die zahlreichen Möglichkeiten, die für die Körperschaftsteuer relevanten Gewinne klein zu rechnen oder ins Ausland zu verlagern. Lorenz Jarass, Professor an der Fachhochschule Wiesbaden, hat die vielen legalen Schlupflöcher minutiös dargelegt:
So lassen sich etwa Kosten für Auslandsinvestitionen von den in Deutschland erwirtschafteten Gewinnen steuerlich absetzen, ohne dass die im Ausland erzielten Erträge entsprechend besteuert werden müssen. Veräußerungserträge aus Unternehmensbeteiligungen sind von der Besteuerung freigestellt. Hinzu kommen großzügige Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven, die Verschiebung steuerlicher Bemessungsgrundlagen in Niedrigsteuerländer, die unbeschränkte Querverrechnung von Verlusten zwischen verbundenen Unternehmen. Eigenkapital in Deutschland wird ersetzt durch Fremdkapital eigener Finanzierungsgesellschaften im Steueroasen-Ausland. Dessen Verzinsung ist in Deutschland steuerlich abzugsfähig - alles ganz legal. Faktisch werden so besonders international tätige Großunternehmen zu Lasten kleinerer und mittlerer Unternehmen privilegiert. Als Beispiel nennt Jarass Ikea Deutschland: Das Unternehmen schaffe es, seinen zu versteuernden Gewinn so klein zu rechnen, dass ein mittelständischer Möbelhändler "bei gleicher Umsatzrendite mindestens doppelt so viel Steuern bezahlen" muss.
"Um den Beitrag der Unternehmen zum Steueraufkommen wieder auf ein international übliches Niveau anzuheben, müssen die Möglichkeiten der steuerlichen Gewinnminderung und -verlagerung entschlossen eingeschränkt werden", fordern Schäfer und Truger. Dazu gebe es zwei Möglichkeiten - die sich durchaus ergänzen könnten:
- Zum einen sollten die bestehenden Schlupflöcher bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns geschlossen werden. Dazu gehört ein Verbot des Abzugs von Aufwendungen für steuerfreie Auslandserträge, die schärfere Trennung der privaten und der betrieblichen Sphäre, eine zeitnähere Bewertung, die Begrenzung der Verlustnutzung und die vollständige Besteuerung von Veräußerungsgewinnen.
- Zum anderen sollte vermehrt auf Komponenten zugegriffen werden, die Ertragsbestandteile des Unternehmens sind, aber über den steuerlichen Gewinn hinausgehen. Dazu gehören vor allem das Entgelt für die Nutzung des Fremdkapitals (Schuldzinszahlungen an die Kreditgeber) sowie das Entgelt für die Nutzung von Rechten Dritter (Zahlungen von Lizenzgebühren).
"Für die Einführung einer solchen Kapitalentgeltbesteuerung bietet sich in einem ersten Schritt eine Reform der Gewerbesteuer an", so Jarass - ein Vorhaben, über das auch innerhalb der Koalition inzwischen nachgedacht wird.
Gustav A. Horn, Achim Truger: Zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Eine Argumentationsskizze, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, März 2005
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Lorenz Jarass, Gustav M. Obermair: Unternehmenssteuerreform 2008, Gutachten, Wiesbaden, Mai 2006
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Weitere Links zum Thema:
Unternehmensteuern: Senkungswettlauf ohne verlässliche Basis
in: Böckler Impuls 9/2006
Unternehmensteuerreform: Nicht noch mehr vom falschen Rezept
in: Böckler Impuls 4/2005