Quelle: HBS
Böckler ImpulsFinanzmärkte: Die Besitzer der Welt
Seit der Finanzkrise weiten große Investoren ihren Einfluss aus. Das könnte zulasten der Arbeitnehmer gehen – auch in Deutschland.
Die größten börsennotierten Unternehmen in den USA und Deutschland befinden sich im Besitz weniger Investoren. Allein die Vermögensverwalter BlackRock und Capital Group kontrollieren in beiden Ländern einen bedeutenden Anteil des Kapitals. In den vergangenen Jahren hat die Konzentration des Aktienbesitzes weiter zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Werner Nienhüser, David Peetz und Georgina Murray. Die Forscher von der Universität Duisburg-Essen sowie der Griffith University in Brisbane haben untersucht, wer die Aktien der 200 umsatzstärksten Unternehmen („Top 200“) in Deutschland und in den USA hält und wie sich die Eigentümerstruktur seit der Finanzkrise verändert hat. Dabei betrachten sie allein die Besitzverhältnisse bei Unternehmen, die Güter oder Dienstleistungen anbieten und damit zum „produktiven Kern der Volkswirtschaften“ gehören.
In den USA hielten die zehn größten Investoren im Jahr 2010 rund 61 Prozent der Top-200-Aktien – fünf Prozentpunkte mehr als noch 2007. Ein beträchtlicher Teil dieses Anstiegs geht auf den größten Anleger zurück: BlackRock. Dem US-Finanzkonzern gehörten 2010 rund 13 Prozent aller Top-200-Aktien in den USA, nachdem der Anteil 2007 gut neun Prozent betragen hatte. Er sei damit „der wichtigste Aktienkontrolleur in den USA“, schreiben die Wissenschaftler. Nach eigenen Angaben verwaltet BlackRock für seine Kunden rund fünf Billionen Dollar – ein Volumen, das um einiges größer ist als das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands. In den Medien wird das Unternehmen auch als „Besitzer der Welt“ oder als „heimliche Weltmacht“ bezeichnet. An zweiter Stelle der Aktienbesitzer in den USA stand 2010 die Investmentgesellschaft Capital Group, die etwa zehn Prozent der Aktien von Top 200-Unternehmen kontrollierte. Ansonsten finden sich vor allem Banken, Vermögensverwalter und Investmentfonds unter den größten Eigentümern, außerdem noch die Familie Walton, Gründer der Supermarktkette Walmart. Während die Banken im Zuge der Finanzkrise Anteile eingebüßt haben, konnten die Investmentgesellschaften insgesamt hinzugewinnen.
In Deutschland ist die Konzentration weniger stark ausgeprägt, sie hat in den vergangenen Jahren aber deutlich zugenommen. Die zehn größten Investoren hielten 2010 rund 40 Prozent, sieben Prozentpunkte mehr als 2007. In der Eigentümerstruktur unterscheidet sich Deutschland von den USA: Während Finanzkonzerne in den Vereinigten Staaten rund 83 Prozent aller Top-200-Aktien besitzen, sind es in der Bundesrepublik nur knapp 42 Prozent. Zudem besitzen staatliche Anleger hierzulande einen größeren Anteil. Einen speziellen Fall stellt Volkswagen dar: Der Autokonzern ist durch seine Beteiligung an Audi und MAN der größte deutsche Aktienbesitzer.
BlackRock an allen Dax-Konzernen beteiligt
„Nach wie vor spielen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, aber auch Individuen und Familien als Anleger in Deutschland eine wichtigere Rolle als in den USA“, schreiben die Forscher. Meist seien diese Familien lediglich an ein oder zwei Unternehmen beteiligt, hätten dort aber eine dominante Stellung inne. Die Finanzkonzerne verteilten ihr Kapital hingegen auf eine Vielzahl von Firmen. BlackRock ist beispielsweise an allen Dax-Unternehmen beteiligt. Auffällig ist, dass BlackRock und Capital Group nicht nur in ihrem Stammland, den USA, sondern mittlerweile auch in Deutschland großen Einfluss besitzen. Einzig diese beiden Investoren sind in beiden Ländern unter den ersten zehn vertreten. Zusammen halten sie elf Prozent der deutschen Top-200-Aktien.
„Die Befunde bestätigen, dass sich das Eigentum am Vermögen der realwirtschaftlich produktiven Unternehmen in wenigen Händen und zudem beim Finanzkapital konzentriert“, schreiben die Wissenschaftler. Dies bleibe nicht ohne Folgen für die Unternehmen und die Beschäftigten. Die Dominanz des Finanzkapitals führe dazu, dass sich Unternehmensleitungen stärker an kurzfristigen, finanziellen Zielen orientieren. Eine langfristig angelegte, die Arbeitnehmer und andere Stakeholder einbeziehende Unternehmensentwicklung trete in den Hintergrund.