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 Deutschland bleibt wettbewerbsfähig Böckler Impuls

Arbeitskosten: Deutschland bleibt wettbewerbsfähig

Ausgabe 13/2024

Die Kosten für eine Arbeitsstunde sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Dafür gibt es gute Gründe. Der Zuwachs liegt leicht unter dem EU-Durchschnitt.

Die Arbeitskosten in der deutschen Privatwirtschaft sind im Jahresdurchschnitt 2023 um 5,0 Prozent gestiegen. Dies ist im langfristigen Vergleich ein hoher Wert, aber deutlich niedriger als 2022 mit einem Anstieg um 6,5 Prozent. Im EU-Durchschnitt stiegen die Arbeitskosten 2023 um 5,6 Prozent, im Euroraum um 5,1 Prozent. In fast allen osteuropäischen EU-Ländern legten sie zweistellig zu, mit Spitzenwerten zwischen 15 und 20 Prozent in Polen, Rumänien und Ungarn. Dies geht aus einer Auswertung des IMK hervor. Zu den Arbeitskosten zählen neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung sowie als Arbeitskosten geltende Steuern.

Der jüngste Anstieg der Arbeitskosten muss vor dem Hintergrund der Inflations- und Lohnentwicklung gesehen werden: Im Jahr 2023 mussten die Beschäftigten in Deutschland im dritten Jahr in Folge reale Einkommensverluste hinnehmen. Diese fielen allerdings geringer aus als im Vorjahr, und zumindest in der Bundesrepublik konnte die hohe Inflation durch die durchschnittlichen Lohnsteigerungen nahezu ausgeglichen werden. „Ohne deutliche Anstiege der nominalen Löhne hätte die Rekordinflation 2022 und 2023 die breite Kaufkraft in Deutschland auf längere Zeit schwer geschädigt. Nach wie vor sind die Einbußen vieler Beschäftigter nicht vollständig ausgeglichen, weshalb wir in unserer Konjunkturprognose mit weiteren deutlichen Lohnerhöhungen rechnen, die nötig sind, um die Nachfrage nachhaltig wieder in Schwung zu bringen“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. „Die Daten zu den Arbeitskosten zeigen nun, dass der Spielraum für eine Stabilisierung der Kaufkraft in der Krise genutzt worden ist, ohne Schieflagen an anderer Stelle zu verursachen. Denn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Bezug auf die Lohnkosten ist stabil. Wir liegen bei den Arbeitskosten wie vor den Krisen der vergangenen Jahre im oberen Mittelfeld Westeuropas und sehen etwa bei den Exporten eine wieder aufsteigende Linie.“

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Deutschland auf Platz fünf in der EU

Mit Arbeitskosten von 41,90 Euro pro Stunde lag Deutschland 2023 im EU-Vergleich an fünfter Stelle hinter Luxemburg, Dänemark, Belgien und Frankreich, wo die Arbeitskosten zwischen 53,60 und 42,70 Euro betrugen. Die Niederlande waren gleichauf mit Deutschland. Schweden kam mit 41,60 Euro knapp dahinter. Dass die Arbeitskosten dort nicht höher ausfielen, ist darauf zurückzuführen, dass die schwedische Krone erneut deutlich an Wert verlor, wodurch die Arbeitskosten in Euro gerechnet sanken, während sie in Landeswährung stiegen. Mit geringem Abstand folgte Österreich mit aktuell 40,90 Euro pro Stunde, gefolgt von Finnland und Irland.
Italien wies mit 29,20 Euro die höchsten Arbeitskosten in Südeuropa auf, blieb aber unter dem EU-Durchschnitt von 31,60 Euro. Deutlich aufgeholt haben einige osteuropäische EU-Staaten wie Slowenien mit 26 Euro, Estland mit 18,30 Euro, Tschechien mit 18 Euro oder die Slowakei mit 17,20 Euro. Sie lagen damit vor Portugal mit 16,10 Euro und Griechenland mit 16,60 Euro. Schlusslichter waren Rumänien und Bulgarien mit Arbeitskosten von 10,80 beziehungsweise 9,20 Euro pro Stunde, allerdings mit überdurchschnittlichen Zuwächsen im vergangenen Jahr.

Mittelfristig stabil mit kurzfristigen Schwankungen war nach der IMK-Analyse auch die Entwicklung der Lohnstückkosten in Deutschland, die die Arbeitskosten ins Verhältnis zur Produktivität setzen. Diese stiegen im Jahr 2023 zwar kräftig um 6,6 Prozent und damit etwas stärker als im Euroraum mit 6,1 Prozent. Ein wesentlicher Grund hierfür war neben der hohen Inflation die schwache Produktivitätsentwicklung infolge der schleppenden Konjunktur. „Die kurzfristig hohen Anstiege gefährden die preisliche Wettbewerbsfähigkeit bislang aber nicht“, betonen Ulrike Stein und Alexander Herzog-Stein vom IMK. Für eine Preis-Lohn-Spirale gebe es bislang keine Anzeichen. Auf längere Sicht liege die Lohnstückkostenentwicklung der deutschen Wirtschaft immer noch unter der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Damit sei die Steigerung im Hinblick auf die makroökonomische Stabilität im Euroraum eher etwas zu niedrig als zu hoch ausgefallen. 

In einer zusätzlichen Auswertung zeigen die Forschenden, dass im Jahr 2022 und bis ins Jahr 2023 hinein ein zwischenzeitlich starker Anstieg der Stückgewinne einzelner Unternehmen einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Inflation hatte als die Entwicklung der Lohnstückkosten. Dies gilt in unterschiedlichem Ausmaß vor allem für vier Wirtschaftszweige: das Baugewerbe, den Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe, wie er in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zusammengefasst wird, sowie etwas abgeschwächt für den Bereich Produzierendes Gewerbe ohne Bau- und Verarbeitendes Gewerbe und die Landwirtschaft. Der preistreibende Effekt der „Gewinninflation“ sei aber mit Ausnahme des Wirtschaftsbereichs Bau Mitte 2023 ausgelaufen, so Stein und Herzog-Stein.

Alexander Herzog-Stein, Ulrike Stein: Arbeits- und Lohnstückkostenentwicklung 2023: Herausforderungen einer Mehrfachkrise in ganz Europa spürbar, IMK Report Nr. 190, Juni 2024

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