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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Deutsche zweifeln an Chancengleichheit

Ausgabe 05/2009

Ein großer Teil der Bevölkerung ist nicht der Ansicht, dass Reichtum vor allem eine Folge von Fleiß und Begabung ist. Am ehesten glauben diejenigen daran, denen es selbst gut geht.

Wie sind die Reichen reich geworden - durch Arbeit oder eher durch Vitamin B? Forscher des Frankfurter Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) haben die Bevölkerung nach ihrer Meinung gefragt. Die Antworten zeigen, wie weit die Realität in den Augen der Befragten von den Idealen Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit entfernt ist: Über 80 Prozent gaben an, Beziehungen "zu den richtigen Leuten" seien eine Ursache für Reichtum. Nur gut die Hälfte zählte harte Arbeit zu den entscheidenden Faktoren. Beinahe genauso viele nannten Unehrlichkeit als Grund.

Aus den Angaben der Befragten haben die Wissenschaftler drei Erklärungsmodelle für Reichtum herausgeschält - und festgestellt, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Erklärungsansätze bevorzugen.

Reich durch höheres Sozialkapital? Mit diesem Begriff fassen die Forscher ererbte Vorteile zusammen: "Bessere Ausgangsbedingungen" und "Beziehungen". Beides stuft die große Mehrheit der Bevölkerung als Ursache für Reichtum ein. Dabei gibt es keine großen Differenzen zwischen den Ansichten von Ost- oder Westdeutschen, Besserverdienern oder Arbeitslosen. Eine eindeutige Beziehung fanden die Forscher jedoch: "Je besser die Menschen gebildet sind, desto eher gehen sie von einem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Reichtum aus."

Reich durch individuelle Eigenschaften? Begabung, Fleiß und etwas Glück - wirtschaftlicher Erfolg, der dadurch zustande kommt, könne "als legitim angesehen werden", schreiben die IWAK-Forscher. Große Teile der Bevölkerung haben allerdings Zweifel, ob hohe Einkommen und Vermögen auf diese Faktoren zurückzuführen sind. Die Meinungen hängen stark von den eigenen Lebensumständen ab: Je besser jemand seine wirtschaftliche Lage und seine soziale Stellung einschätzt, desto eher neigt er dazu, den Grund für Reichtum in individuellen Eigenschaften zu sehen. In Westdeutschland ist diese Sichtweise weiter verbreitet als in den neuen Ländern.

Reich durch strukturelle Ungerechtigkeiten? Ein ungerechtes Wirtschaftsystem und Unehrlichkeit werden ebenfalls häufig als Grund für großen materiellen Wohlstand genannt. Doch an diesem Erklärungsansatz scheiden sich die Geister. Zustimmung oder Ablehnung hängen besonders stark von der eigenen Lebenslage ab. Vor allem die soziale Stellung ist entscheidend: Wer sich als Angehöriger der Arbeiterschicht sieht, hat eine "klare Präferenz für strukturelle Erklärungen". Dies gilt auch für Arbeitslose. Ostdeutsche tendieren ebenfalls eher zu strukturellen Erklärungsmustern. Außerdem spielt der Bildungsstand eine Rolle: Je höher er ist, desto geringer ist die Akzeptanz von strukturellen Begründungen. Mit zunehmender Bildung sehen die Menschen Reichtum auch seltener in moralischem Fehlverhalten begründet, so die Wissenschaftler.

Die Wissenschaftler wollten außerdem von den Befragten wissen, ob der Reichtum Einzelner der Gesellschaft insgesamt eher schadet oder nützt. Dabei stießen sie weder auf eindeutige Zustimmung noch Ablehnung von Reichtum, sondern auf eine "abwägende Haltung". Einerseits verweisen fast 80 Prozent auf soziale Spannungen, die aus einer unausgewogenen Verteilung folgen. Der vorhandene Reichtum werde nicht zum Nutzen der Gesellschaft eingesetzt. Andererseits stimmen noch mehr Befragte der Aussage zu: "Es ist gut, dass jeder die Freiheit hat, selbst reich werden zu können." Zudem wird Reichtum von vielen als notwendige Bedingung für gesellschaftlichen Fortschritt gesehen. Die Forscher schreiben: "Die geäußerte Kritik scheint weniger dem Reichtum selbst zu gelten als vielmehr den Mechanismen seiner Erzeugung."

Ungleiche Wohnverhältnisse sind in Ordnung, ungleiche Gesundheitsversorgung nicht. Wichtig ist der Umfrage zufolge nicht so sehr, ob es Reichtum gibt oder nicht, sondern worin er sich äußert: Rund drei Viertel stört es nicht, wenn Reiche besser wohnen und höhere Renten bekommen als sie selbst. Dass Vermögende ihren Kindern eine bessere Ausbildung finanzieren können, findet die Mehrheit hingegen ungerecht. Größeren politischen Einfluss und eine bessere medizinische Versorgung für Reiche findet nur etwa jeder Zehnte akzeptabel.  

  • Eine überwältigende Mehrheit führt hohe Einkommen und Vermögen vor allem auf „die richtigen Kontakte“ zurück. Zur Grafik
  • Die Bevölkerung akzeptiert Einkommensunterschiede, aber keine Zwei-Klassen-Medizin. Zur Grafik

Jens Becker, Roland Bieräugel, Oliver Nüchter, Alfons Schmid: Einstellungen zum Reichtum, in: WSI-Mitteilungen 3/2009

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