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HBS Böckler Impuls

Beschäftigung: Der zweigeteilte Arbeitsmarkt

Ausgabe 01/2012

In Deutschland existieren zwei Arbeitsmärkte nebeneinander: einer mit geregelten und sozial abgesicherten Arbeitsverhältnissen für Qualifizierte und einer mit unsicheren, schlecht bezahlten Jobs. Wissenschaftler prognostizieren, dass sich diese Spaltung noch vertiefen wird.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich der deutsche Arbeitsmarkt stark verändert. Betriebe sind von einer internen zu einer externen Personalpolitik übergegangen: An die Stelle von Umbesetzungen als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen traten zunehmend Neueinstellungen und Kündigungen. Zugleich ist der Niedriglohnsektor erheblich gewachsen. Werden sich diese Trends fortsetzen und die soziale Sicherheit aller Arbeitnehmer bedrohen? Christoph Köhler und Alexandra Krause von der Universität Jena haben versucht, diese Frage zu beantworten. Ihre Langzeitbeobachtung des Arbeitsmarkts zeigt: Es fand keine gleichmäßige Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung statt, sondern eher eine Zweiteilung des Arbeitsmarkts. Der Soziologie-Professor und seine Forscherkollegin rechnen weder damit, dass sich die Zunahme unsicherer oder schlecht bezahlter Jobs ungebremst fortsetzt, noch mit einer kollektiven Rückkehr zum so genannten Normalarbeitsverhältnis. Sie erwarten in der Zukunft stattdessen eine „spannungsgeladene und instabile Koexistenz“ von zwei Teilarbeitsmärkten.

Anhand von Beschäftigungsdaten und Experteninterviews zeichnen Köhler und Krause die Entwicklung nach:

In der alten Bundesrepublik dominierten interne Arbeitsmärkte – Beschäftigte blieben lange bei einem Betrieb, versuchten im Unternehmen aufzusteigen statt sich durch Firmenwechsel zu verbessern, Unternehmen vermieden Entlassungen. Es gab einen starken öffentlichen Dienst und im internationalen Vergleich wenig Niedriglohnbeschäftigung. Anfang der 1990er-Jahre begannen sich die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu ändern: Die Bedeutung externer Arbeitsmärkte, die für das angelsächsische Wirtschaftsmodell typisch sind, nahm zu. Die Wiedervereinigung beschleunigte diesen Prozess noch.

Ostdeutschland erlebte nach der Wende den stärksten Beschäftigungseinbruch von allen Transformationsländern. Damit gewannen externe Arbeitsmärkte gegenüber internen stark an Boden – noch schneller als im Westen. Bei der Niedriglohnbeschäftigung „haben die ostdeutschen Betriebe den Westen überholt“, schreiben die Sozialforscher. Zudem sei die Beschäftigungsstabilität im Osten heute geringer als in den alten Ländern. Ostdeutschland wurde zum Vorreiter bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.

Von einem generellen Umbau des Arbeitsmarkts von dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen zu Hire-and-fire-Jobs könne jedoch keine Rede sein, stellen Köhler und Krause fest. Die Veränderungen konzentrierten sich auf bestimmte Segmente der Beschäftigungslandschaft. So habe sich vor allem bei einfachen Tätigkeiten die „Tarif- und Betriebsbindung von Beschäftigten aufgelöst“. In der Produktion und mehr noch in betrieblichen Servicebereichen wie Kantine, Reinigung oder Wachdienst seien vielfach Festangestellte durch Leiharbeiter oder Beschäftigte von Fremdfirmen ersetzt worden. Viele Arbeitnehmer, die früher zu den tarifvertraglichen Konditionen des Mutterkonzerns gearbeitet hatten, haben in den vergangenen Jahren mit schlechterer Bezahlung in einem neuen Betrieb angefangen.

Die Spaltung in „Insider“, die im Unternehmen ihr Berufsleben einigermaßen berechenbar planen können, und „Outsider“, die regelmäßig den Weg über den externen Arbeitsmarkt nehmen müssen, verläuft häufig entlang der Qualifikation, so die Studie. Besser Ausgebildete schaffen es leichter in den inneren Kreis, während Beschäftigte mit geringerer Qualifikation häufig am prekären Rand verharren.

Verschiedene Indizien sprechen Köhler und Krause zufolge dafür, dass dieses Muster auf absehbare Zeit bestehen bleibt: In der jüngsten Konjunkturkrise habe sich gezeigt, dass Personalstabilität und interne Flexibilisierung – etwa Kurzarbeit statt Entlassung – nach wie vor eine große Rolle spielt. Zudem ist der Niedriglohnsektor in der jüngsten Zeit nicht mehr so schnell gewachsen wie in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts. Da das Arbeitsangebot aufgrund von anstehenden Verrentungswellen und schwachen Nachwuchskohorten insgesamt rückläufig ist, könnten zumindest Fachkräfte in eine stärkere Verhandlungsposition kommen. Prekär bleibe jedoch die Situation der Fehl- oder Geringqualifizierten. Ihre Lage zu verbessern sei zum einen Sache der Politik, die einen Mindestlohn einführen und „nicht-standardisierte Arbeitsverhältnisse“ beschränken könnte. Zum anderen stünden Betriebsräte und Gewerkschaften vor der Aufgabe, sich auch für die Interessen der Randbelegschaften einzusetzen.

  • Die Lohnunterschiede zwischen ungelernten und qualifizierten Arbeitnehmern sind im vergangenen Vierteljahrhundert gewachsen. Zur Grafik

Alexandra Krause, Christoph Köhler: Von der Vorherrschaft interner Arbeitsmärkte zur dynamischen Koexistenz von Arbeitsmarktsegmenten, in: WSI-Mitteilungen 11/2011

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