Quelle: HBS
Böckler ImpulsMitbestimmung: Der diskrete Einfluss der Vermögensverwalter
Die Eigentümerstruktur deutscher Konzerne hat sich verändert – mit Folgen für die Mitbestimmung. Gerade die unauffälligen Investoren sollten unter Beobachtung stehen.
Die alte „Deutschland AG“ gibt es nicht mehr. Das Netzwerk aus deutschen Unternehmen, Banken und Versicherungen, die untereinander durch gegenseitige Beteiligungen verflochten waren, hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten weitgehend aufgelöst. Stattdessen geben heute überwiegend internationale Investoren den Ton an, vor allem aus den USA und Großbritannien. Welche neuen Herausforderungen dieser tiefgreifende Wandel für deutsche Firmen und ihre Beschäftigten mit sich bringt, zeigt eine Analyse von Alexander Sekanina, Mitbestimmungsexperte der Hans-Böckler-Stiftung.
An Einfluss gewonnen haben vor allem Vermögensverwalter wie BlackRock, StateStreet oder Vanguard Group. Die Finanzkrise hat ihnen wenig anhaben können. Im Gegenteil: Während die Banken stärker reguliert wurden, sind BlackRock und Co. noch mächtiger geworden. Dabei handelt es sich um Investmentgesellschaften, die Geld einsammeln und im Auftrag ihrer Kunden verwalten. Sie kontrollieren Vermögen in Billionenhöhe. Ihre Strategien unterscheiden sich, aber die meisten haben eines gemeinsam: Sie investieren in Unternehmen, mit dem Ziel, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Eine Besonderheit: Ein großer Teil des verwalteten Geldes steckt in passiven, quasi automatisierten Investmentvehikeln, sogenannten ETFs (Exchange Traded Funds). Bei einem passiven Indexfonds wird beispielsweise in alle Unternehmen eines bestimmten Index investiert, und zwar so viel, wie es dem Gewicht des Unternehmens im Aktienindex entspricht. Den Anlegern bietet ein ETF die verlockende Möglichkeit, mit nur einem Wertpapier kostengünstig in einen ganzen Markt zu investieren. Zu den Kunden zählen in erster Linie Vermögende, aber nicht nur, auch Kleinsparer sind darunter.
Doch so neutral, wie der Ansatz auf den ersten Blick erscheint, sei er bei genauerem Hinsehen nicht, erklärt Mitbestimmungsexperte Sekanina. Er sieht Interessenkonflikte und kartellrechtliche Schwierigkeiten. So ist BlackRock nicht nur größter Aktionär bei Bayer, sondern auch zweitgrößter Anteilseigner bei dessen künftigem Fusionspartner Monsanto. Vanguard ist bei Monsanto die Nummer eins und bei Bayer der viertgrößte Aktionär. Capital Group ist bei beiden drittgrößter Anteilseigner. Welche Rolle spielt es für einen solchen Deal, wenn auf beiden Seiten die gleichen Großaktionäre stehen? Was bedeutet es für den Wettbewerb und die Beschäftigten, wenn BlackRock an jedem Unternehmen im DAX beteiligt ist? Die US-Investoren nehmen üblicherweise nicht öffentlich Stellung zu einzelnen Firmen. Man sei schließlich nur „Verwalter“.
Welche Ziele die Vermögensverwalter verfolgen, lässt sich aus ihren Abstimmungsrichtlinien und ihren Einlassungen im Rahmen öffentlicher Konsultationen schließen. Immer wiederkehrende Themen sind dabei: die Verlagerung von Entscheidungen vom Aufsichtsrat in die Hauptversammlung, zum Beispiel in Fragen der Vorstandsvergütung; die Forderung nach separaten Gesprächskanälen („Investorengespräche“) zwischen einzelnen institutionellen Investoren und dem Management beziehungsweise dem Aufsichtsratsvorsitzenden; die Verlagerung des Unternehmenssitzes ins Ausland, sofern dadurch Kosten gesenkt werden und der Anlegerschutz gewährleistet bleibt. All diese Initiativen dienen dazu, erläutert Sekanina, die Unternehmensführung nach Aktionärsinteressen auszurichten, im schlechtesten Fall zulasten der Interessen der Arbeitnehmer und der Mitbestimmung.
Ebenfalls problematisch sei das gelegentliche Zusammenspiel von Vermögensverwaltern und aktivistischen Investoren, erklärt Sekanina. Die Aktivisten knöpfen sich gerne gezielt Unternehmen vor, die in einer Krise oder im Umbruch stecken – und bei denen öffentlichkeitswirksame Maßnahmen kurzfristige Kurssprünge versprechen. Sie besitzen häufig nur eine Minderheitsbeteiligung, versuchen ihren Einfluss aber durch gezielte Kampagnen zu „hebeln“. Je mehr andere Eigentümer dies geschehen lassen oder insgeheim unterstützen, desto mehr stärken sie damit die Aktivisten. So bereiten passive Aktienfonds den Boden, auf dem aggressive Finanzinvestoren ihre Strategien ausbreiten können.
Der Einfluss von US-Vermögensverwaltern werde in den kommenden Jahren voraussichtlich zunehmen, schreibt Sekanina, und damit der Druck, ein Verständnis von Corporate Governance durchzusetzen, wie es in angelsächsischen Ländern vorherrscht. Die Interessen der Arbeitnehmer in Deutschland müssten davor geschützt werden. Der zentrale Pfeiler dazu sei die Unternehmensmitbestimmung, also die Mitsprache der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.
Alexander Sekanina: Finanzinvestoren und Mitbestimmung – Wie der Wandel der Investorenlandschaft die Mitbestimmung herausfordert, MBF-Report der Hans-Böckler-Stiftung, im Erscheinen