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HBS Böckler Impuls

Europa: Den Euro krisenfest machen

Ausgabe 11/2018

Die Währungsunion braucht dringend Reformen. Es geht darum, Ungleichgewichte zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen.

Wie instabil der Euroraum nach wie vor ist, haben Ende Mai die Verwerfungen an den Finanzmärkten gezeigt, die mit der schwierigen Regierungsbildung in Italien einhergingen. Andrew Watt und Sebastian Watzka betrachten die jüngsten Turbulenzen als Menetekel: Wenn die Politik die fundamentalen Probleme der Währungsunion nicht zügig angeht, drohe der Euro auf dem „Müllhaufen der Geschichte“ zu enden. Die IMK-Forscher haben konkrete Vorschläge für Reformen entwickelt, die das verhindern sollen.

Für eines der zentralen Probleme halten die Ökonomen das Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum. Diese Tendenz werde systematisch verstärkt durch den einheitlichen Nominalzins, den die Europäische Zentralbank (EZB) vorgibt: Für boomende Volkswirtschaften mit vergleichsweise hoher Inflation falle der preisbereinigte Zins zu niedrig aus, für stagnierende Länder zu hoch. Die Folge: Einerseits werde der Aufschwung zusätzlich angeheizt, andererseits die ohnehin schwache Konjunktur weiter abgewürgt. Eine zusätzliche prozyklische Wirkung hätten die Defizitregeln, die Krisenländer zur Austerität zwingen.

Die zweite grundsätzliche Schwäche stellen der Analyse zufolge die regelmäßig aufkeimenden Zweifel an der Zahlungsfähigkeit einzelner Euroländer dar. Solange es keine wirksamen Garantien für die Sicherheit von Staatsanleihen – einen sogenannten Kreditgeber letzter Instanz – gibt, werde es immer wieder zu spekulativen Attacken kommen. Für zusätzlichen Zündstoff sorge dabei die gegenseitige Abhängigkeit von Regierungen und nationalen Bankensystemen.

Stabilisierende Maßnahmen auf der Ebene des Euroraums seien allerdings mit einem strategischen Dilemma verbunden. Einzelne Mitgliedsländer könnten sie ausnutzen, indem sie sich übermäßig verschulden und die damit verbundenen Risiken auch den anderen aufbürden, die ihnen im Notfall mit Beihilfen zur Seite springen werden.

Watt und Watzka argumentieren, dass der Eindämmung von wirtschaftlichen Ungleichgewichten eine Schlüsselrolle zukommt. Die Wirtschaftspolitik der Euroländer entsprechend zu koordinieren, dürfte nach ihrer Einschätzung zu mehr gegenseitigem Vertrauen beitragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Beihilfen in Anspruch genommen werden, sinke dadurch. Das erleichtere die Einführung und den Ausbau von Instrumenten grenzüberschreitender Solidarität, die notwendig sind, um Stabilität zu gewährleisten.

Um eine solche Koordination zu erreichen, empfehlen die Forscher, alle relevanten Akteure an einen Tisch zusammenzubringen. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene brauche es Gremien, die wirtschaftspolitische Szenarien für ausgewogenes Wachstum entwickeln. Auf konkrete Schritte zur Umsetzung sollten sich Vertreter von Regierungen, Zentralbanken und der Sozialpartner im Rahmen eines „makroökonomischen Dialogs“ auf beiden Ebenen einigen.

Zusätzlich wären der Studie zufolge „automatische grenzüberschreitende Stabilisatoren“ wünschenswert, die Nachfrage von den boomenden in die stagnierenden Volkswirtschaften lenken. Solche Dienste könnte beispielsweise eine europäische Arbeitslosenversicherung leisten. Sie würde dafür sorgen, dass Geld aus Ländern mit stabiler Beschäftigung in Länder umverteilt wird, die mit einem plötzlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit konfrontiert sind. 

Um für stabile öffentliche Investitionen auch in Krisenländern zu sorgen, böte es sich an, mehr über die europäische Ebene zu investieren. Die Autoren schlagen zudem vor, mit dem Dogma vom ausgeglichenen Staatshaushalt zu brechen und stattdessen die sogenannte goldene Regel für öffentliche Finanzen zu beherzigen. Nettoinvestitionen könnten demnach durch Schulden finanziert werden. Damit auch Staaten, die nur begrenzt Zugang zu Krediten haben, investieren können, könnten ihnen auch europäische Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus appellieren Watt und Watzka an die Politik, eine wirksame europäische Einlagensicherung einzuführen. Die EZB, die während der Eurokrise in großem Umfang Staatsanleihen aufgekauft und damit als Kreditgeber letzter Instanz für die Regierungen fungiert hat, sollte klarmachen, dass sie bereit ist, diese Funktion dauerhaft auszuüben. Hierzu brauche es Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, um politische Legitimität und Effektivität zu gewährleisten.

  • Eines der zentralen Probleme des Euroraums ist das Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Entwicklung. Zur Grafik

Andrew Watt, Sebastian Watzka: Overcoming Euro Area fragility (pdf), IMK-Report Nr. 139, Juni 2018  

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