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Das Bürgergeld ist nicht zu hoch Böckler Impuls

Sozialpolitik: Das Bürgergeld ist nicht zu hoch

Ausgabe 20/2024

In einer aktuellen Blog-Serie des WSI zu „Mythen der Sozialpolitik“ setzen sich Forschende mit Klischees in der sozialpolitischen Debatte auseinander. Ein solches Klischee ist die Behauptung, das Bürgergeld sei zu hoch und mache Arbeit unattraktiv.

Die Debatte ums Bürgergeld flammt immer wieder auf. Dabei kursieren „eine Vielzahl populistischer Thesen, aber wenig Fakten“, so Jutta Schmitz-Kießler, Professorin an der Hochschule Bielefeld und Expertin für Sozialpolitik. So würde häufig die jüngste Anpassung der Regelbedarfe als überzogen kritisiert und gefordert, das vermeintlich üppige Bürgergeld nicht weiter zu erhöhen, um mit Nullrunden für Arme den Staatshaushalt zu entlasten. Tatsache ist jedoch: Die Grundsicherung ist von 2005, dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen, bis 2023 etwa im gleichen Maße gestiegen wie die Preise – und weniger als die Löhne. Auch die Erhöhung Anfang des laufenden Jahres wird lediglich die Preissteigerung ausgleichen, aber nichts daran ändern, dass das Bürgergeld hinter der Lohnentwicklung zurückbleibt. Im kommenden Jahr werden die Regelsätze nicht erhöht, was für Bedürftige reale Verluste bedeutet. Das Bürgergeld zu kürzen wäre „eine fatale Fehlentscheidung, gerade für diejenigen, die zu den Schwächsten der Gesellschaft gehören“, so Schmitz-Kießler. 

Zumal auch die Vorstellung abwegig ist, das Bürgergeld sei der entscheidende Posten im Staatshaushalt. Tatsächlich macht es mit rund 54 Milliarden Euro jährlich gerade einmal 4,2 Prozent des gesamten Sozialbudgets aus. „Das legt nahe, dass Einsparungen im Grundsicherungssystem keineswegs horrende Beträge freisetzen und anderweitig Investitionen möglich machen würden.“

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Der nächste Punkt: Lädt das Bürgergeld zum Nichtstun auf Staatskosten ein, weil sich die Aufnahme einer Arbeit gar nicht lohnen würde? Die Antwort ist einfach: Nein, weil die Grundsicherung so konstruiert ist, dass eine Person, die – wenigstens einen kleinen – Job annimmt, immer mehr Einkommen hat als jemand ohne Erwerbsarbeit. Das könne allenfalls in „konstruierten Einzelfällen“, die praktisch nicht ins Gewicht fallen, anders sein. Dennoch wird regelmäßig argumentiert, geringere Leistungen wären ein probates Mittel, den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, sich eine Stelle zu suchen.

Dem ist unter anderem entgegenzuhalten, dass es rechtlich strittig ist, ob Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern sollen, überhaupt gekürzt werden können. Außerdem ist es eine „Illusion“ zu glauben, „die meisten Grundsicherungsbeziehenden hätten die freie Wahl zu arbeiten“. Rund ein Drittel ist gar nicht erwerbsfähig, die meisten davon sind Kinder. Elf Prozent haben ganz normale ungeförderte Jobs, mit schlechter Bezahlung oder zu wenigen Arbeitsstunden. Ebenso viele sind in Ausbildung, acht Prozent sind wegen Erziehungs- oder Pflegeaufgaben von der Arbeitssuche freigestellt. Viele leben zudem in strukturschwachen Regionen, in denen es schlicht keine passenden freien Stellen gibt. „Verschärfungen beim Bürgergeld werden keinen einzigen Arbeitslosen langfristig in Arbeit bringen, wären aber eine erhebliche Gefahr für den sozialen Frieden“, warnt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.

Jutta Schmitz-Kießler: Hartnäckig, aber falsch: Die Kritik an der Bürgergelderhöhung, WSI-Blog-Serie „Mythen der Sozialpolitik“, August 2024

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