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HBS Böckler Impuls

Arbeitswelt: Chinesen investieren mit Augenmass

Ausgabe 04/2016

Immer mehr Kapital aus China fließt nach Deutschland. Aus Arbeitnehmersicht kann das durchaus begrüßenswert sein.

Die Transaktionen werden größer: Für 1,4 Milliarden Euro hat die in Hongkong börsennotierte Holding Beijing Enterprises kürzlich den Entsorger EEW aus Helmstedt gekauft. Für Arbeitnehmer stellt sich vor allem die Frage, wie sich solche Übernahmen auf Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung auswirken. Ulrike Reisach hat sich mit dieser Frage in einer Studie auseinandergesetzt, die Teil eines umfassenden Projekts der Hans-Böckler-Stiftung zu chinesischen Investoren ist. Nach Analyse der Wirtschaftswissenschaftlerin aus Neu-Ulm müssen Beschäftigte in der Regel keine gravierenden Nachteile befürchten.

Das Engagement chinesischer Investoren in Europa nimmt der Studie zufolge rapide zu. Nach Deutschland seien zwischen 2000 und 2014 Gelder in Höhe von etwa 6,9 Milliarden Euro geflossen. Mittlerweile gebe es hierzulande etwa 1.300 chinesische Firmen mit über 16.000 Beschäftigten. Gemessen an der Zahl der Neugründungen sei die Volksrepublik im Jahr 2014 mit 190 Projekten der größte ausländische Investor gewesen.

Die Leitlinien der chinesischen Regierung sehen Reisach zufolge vor, dass Investitionen in Deutschland unter anderem in den Bereichen Elektrotechnik, Automobil, Industrieanlagen und Umweltschutz gefördert werden. Eine Aktualisierung dieser Vorgaben stehe mit dem 13. Fünfjahresplan an, den der Chinesische Volkskongress dieser Tage beschließt. Zu den attraktiven Aspekten der deutschen Wirtschaft gehöre die Tatsache, dass Hightech-Kompetenz auch bei Mittelständlern zu finden ist. Technologie stehe neben Vertriebsstrukturen und Markenimage im Zentrum des Interesses der chinesischen Investoren.

Wenig Einfluss auf das Tagesgeschäft

Sorgen, dass die Vorliebe für deutsches Know-how auch nachteilige Folgen haben kann, seien unlängst durchaus noch berechtigt gewesen, so die Forscherin. Als Beispiel für eine eher grobschlächtige Form von Technologietransfer verweist sie auf Kauf, Demontage und Abtransport eines kompletten Dortmunder Hüttenwerks von Thyssen-Krupp durch ein chinesisches Unternehmen im Jahr 2002. Mittlerweile seien viele Investoren aus der Volksrepublik allerdings zu dem Schluss gekommen, dass technologisches Wissen sich nicht ohne Weiteres verpflanzen lässt und dass Deutschland ein „fruchtbarer Boden“ für die Weiterentwicklung von Technologie ist. Problematische Ausnahmen seien kleinere chinesische Unternehmen ohne Auslandserfahrung, die oft eher kurzfristig orientiert sind, und Scheininvestitionen zum Erwerb von Aufenthaltsgenehmigungen.

Im Großen und Ganzen sind die Erfahrungen aber eher positiv: Die Standorte diverser Automobilzulieferer, die chinesische Konzerne in den vergangenen Jahren übernommen haben, seien ausgebaut worden, stellt die Autorin fest. Mit Chemchina habe Krauss-Maffei nach zehn Jahren, in denen sich Finanzinvestoren als Eigentümer abgewechselt haben, wieder einen industriellen, strategisch planenden Investor. Es gebe Zusagen für Personalaufbau und den Erhalt des Standorts München, wobei Tarifverträge und Mitbestimmung unverändert bleiben sollen.

In der Regel nehmen chinesische Investoren nach Ansicht der Expertin kaum Einfluss auf das Tagesgeschäft. Das Management bleibe im Amt, arbeitsrechtliche Fragen überlasse man dem deutschen Fachpersonal. Für Anliegen der Arbeitnehmer seien die neuen Eigentümer oft durchaus aufgeschlossen – aus gutem Grund: Sie sind auf die Expertise der Mitarbeiter angewiesen. Anders als bei renditeorientierten Finanzinvestoren gebe es üblicherweise kein „Gesundschrumpfen“ oder massive Umstrukturierungen. Ebenso wenig seien Ausweichtendenzen in ausländische Rechtsformen zu beobachten, um die Mitbestimmung zu umgehen.

Inwieweit die derzeitige Börsenkrise und die konjunkturellen Probleme in China sich auf die Auslandsinvestitionen auswirken werden, sei noch unklar. Einerseits verfügten chinesische Investoren wegen der Abwertung ihrer Heimatwährung über weniger Kaufkraft. Andererseits treibe die Furcht vor weiterer Abwertung immer mehr Kapital ins Ausland. Langfristig sei zu erwarten, dass Chinas Wirtschaft in eine weniger dynamische, dafür aber nachhaltigere Phase eintritt. Deutsche Unternehmen mit ihren umfangreichen Erfahrungen etwa im Bereich der Umwelttechnologie dürfte das als Investitionsobjekte noch attraktiver machen.

Ulrike Reisach: Politische/wirtschaftliche Rahmenbedingungen und strategische Interessen chinesischer Investoren in Deutschland (pdf), Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Report Nr. 19, Februar 2016

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