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HBS Böckler Impuls

Kurzarbeit: Brücke zur konjunkturellen Erholung

Ausgabe 08/2011

In Wirtschaftskrisen kann Kurzarbeit helfen, den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Denn sie baut eine Brücke zur konjunkturellen Erholung; einen wirtschaftlichen Strukturwandel behindert sie in der Regel nicht.

Während der jüngsten Wirtschaftskrise erlebte das über hundertjährige Instrument der Kurzarbeit eine Renaissance: 2009 lag die Zahl der Kurzarbeiter im Jahresdurchschnitt bei über einer Million. Damit trug Kurzarbeit in Deutschland maßgeblich zur Stabilisierung der Beschäftigung bei - und half auch, den Konsum nicht einbrechen zu lassen. Doch viele Ökonomen unterstellen, das Instrument erhalte veraltete Wirtschaftszweige. Eine umfangreiche Auswertung der offiziellen Statistiken zeigt hingegen: Ein Großteil der Unternehmen, die Kurzarbeit nutzen, ist durchaus wettbewerbsfähig. Die Empirie gebe keinen Hinweis auf Strukturkonservierung, so IMK-Forscher Henner Will, der Autor der Studie.

Für seine Analyse zog Will Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung seit den 1950er-Jahren heran und verglich diese mit der jeweiligen Zahl der Empfänger von Kurzarbeitergeld. Ergebnis: Deren Zahl ist besonders hoch, wenn sich die reale Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts nahe oder unter Null bewegt - also in Abschwüngen oder Rezessionen. Besonders viel Kurzarbeit gab es im Abschwung 1967, während der Ölkrisen 1974/75 und 1981/82, in der auf die Deutsche Einheit folgenden Rezession 1993 und während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09.

Die einzige Ausnahme bildet der massive Anstieg der Kurzarbeit 1991. Dieser sei ein politisch gewollter Sonderfall und nicht konjunkturell, sondern strukturell bedingt gewesen, erläutert der IMK-Forscher. Im Zuge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs der DDR habe Kurzarbeit als Vorstufe zur Entlassung und Brücke in Vorruhestand oder Rente gedient, und nicht in Beschäftigung. Im Gegensatz dazu schlug sich die Wachstumsschwäche der Jahre 2001 bis 2005 nach dem Platzen der New-Economy-Blase und den Anschlägen vom 11. September nicht in steigenden Kurzarbeiter-Zahlen nieder. Ein Grund mag dabei gewesen sein, dass es sich hier eher um eine Stagnationsphase gehandelt habe, so Will. Ein weiteres Argument contra Strukturkonservierung sieht der Wissenschaftler darin, dass in Unternehmen mit konjunkturell bedingter Kurzarbeit im Schnitt nur für etwa 30 bis 40 Prozent der ausgefallenen ­Arbeitszeit Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Die Betriebe befänden sich also nicht an der Schwelle zum Marktaustritt, sondern versuchten, während eines vorübergehenden Arbeitsausfalls ihre Stammbelegschaft zu halten.

Wills makroökonometrische Analyse der Kurzarbeit bestätigt die These der Brückenfunktion: Mittelfristig stützt das Instrument den Konsum, ergeben seine Berechnungen. "Führte Kurzarbeit nur in die Arbeitslosigkeit, dürfte der Effekt auf den Konsum eher gleich Null sein", erläutert der Forscher. Diene sie der Überwindung eines konjunkturellen Tiefs, in dem Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze behalten, bleibe deren Konsum stabil und steige nach Überwindung der Krise - und dies sei der Fall. Vor dem Hintergrund des gewichtigen Anteils des privaten Konsums an der Wirtschaftsleistung sei Kurzarbeit also auch deshalb ein wichtiger Stabilisator.

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