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HBS Böckler Impuls

Arbeitskosten: Billige Dienstleistungen: Industrie profitiert

Ausgabe 19/2008

Die Arbeitskosten der deutschen Privatwirtschaft liegen im europäischen Mittelfeld. So das Ergebnis einer neuen Auswertung von Eurostat-Daten.

Zum dritten Mal hat das IMK die aktualisierten Eurostat-Arbeitskostenstatistiken ausgewertet - und so die Arbeitskosten in Deutschland mit denen anderer europäischer Länder verglichen. Für ihre Auswertung zogen die Forscher die Daten aller alten EU-Mitglieder heran - mit Ausnahme ­Irlands, für das keine Arbeitskosten je Stunde vorliegen. Hinzu kamen die vier großen EU-Neulinge Slowenien, Tschechien, Ungarn und Polen. Mit durchschnittlichen Arbeitskosten von 28 Euro je Stunde liegt Deutschland 2007 im privaten Sektor auf Platz 8 von 18 und rangiert damit weiterhin im Mittelfeld.

Ein differenziertes Bild ergibt sich beim Blick auf die einzelnen Wirtschaftssektoren: Da belegt Deutschland mit seinen Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe Platz vier - und gehört so auch 2007 zur großen Gruppe der Hochlohnländer. Sie umfasst die nordischen Länder, die Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich und Österreich. Deren Arbeitskosten betragen zwischen 29 und 36 Euro je Stunde. Im Dienstleistungssektor entsprechen die deutschen Arbeitskosten mit 25,60 Euro je Stunde nur etwa dem Durchschnitt des Euroraums. Wie im vergangenen Jahr erreicht Deutschland in der Rangfolge der europäischen Länder hinter den Benelux-Staaten, den skandinavischen Ländern, Frankreich, Österreich und Großbritannien lediglich Platz zehn.

In einer modernen Volkswirtschaft sind Industrie und Dienstleistungen eng verzahnt. Daher zeigt die umfassende Auswertung des IMK ein realistisches Bild von Deutschlands Position im europäischen Wettbewerb. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet dagegen lediglich die Arbeitskosten der deutschen Industrie - und kommt so zu ganz anderen Einschätzungen. Zwar relativiert das IW seine Ergebnisse, indem es in einer Zusatzrechnung die Vorleistungsverflechtung der Industrie mit dem günstigeren Dienstleistungssektor zu berücksichtigen versucht. Damit kommt es auf einen Kostenvorteil für das Verarbeitende Gewerbe von 1,12 Euro pro Stunde. Wie die Anwendung des Input-Output-Modells des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle ­jedoch zeigt, unterschätzt das IW die tatsächlichen Kosteneinsparungen deutlich. Bezieht man die gesamte Vorleistungsproduktion ein, so liegen die Einsparungen für die Industrie bei über 3 Euro pro Stunde.

"Der Unterschied ist so groß, dass er für sich genommen eine erhebliche Verbesserung der Wettbewerbsposition der deutschen Industrie bewirkt", so das IMK. Zwar haben viele europäische Länder bei den Dienstleistungen geringere Arbeitskosten als in der Industrie - und damit insgesamt ebenfalls eine günstigere Konkurrenzsituation. In einigen Staaten liegen die Arbeitskosten für Dienstleistungen allerdings über denen des Verarbeitenden Gewerbes. Vor allem aber ist in keinem anderen Land der Abstand zwischen den Arbeitskosten in Industrie und Dienstleistungen so groß wie in Deutschland. Sprich: Nur unter Einbeziehung aller Arbeitskosten lässt sich Deutschlands Wettbewerbsposition tatsächlich ermessen. "Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie irreführend der direkte Vergleich von Arbeitskostenniveaus einzelner Sektoren zwischen Ländern sein kann", so die Forscher.

Bei den Dienstleistungen fällt besonders auf, dass in der gesamten EU die Arbeitskosten je Stunde in der Finanzbranche überall höher sind als in der Privatwirtschaft insgesamt. In Deutschland weist der Finanzsektor mit 38,50 Euro pro Stunde im Jahr 2007 fast die höchsten Arbeitskosten im Vergleich zu allen anderen Branchen auf. Auch im Vergleich zur gut dotierten Industrie sind die Arbeitskosten bei Banken und Versicherungen um etwa 20 Prozent höher.  

  • Deutschland liegt mit seinen Arbeitskosten in der privaten Wirtschaft im europäischen Mittelfeld. Im Verarbeitenden Gewerbe gehört die Bundesrepublik zur großen Gruppe der Hochlohnländer. Bei den Dienstleistungen entsprechen die Arbeitskosten nur etwa dem Durchschnitt des Euroraums. Zur Grafik

Heike Joebges, Camille Logeay, Dominique Peters, Sabine Stephan, Rudolf Zwiener: Deutsche Arbeitskosten steigen im europäischen Vergleich nur gering - Auswertung der aktuellen Eurostat-Statistik (pdf), IMK Report Nr. 34 November 2008

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