Quelle: HBS
Böckler ImpulsMindestlohn: Betriebsräte verhindern Verstöße
Mitbestimmung trägt dazu bei, dass sich Betriebe bei der Bezahlung ihrer Beschäftigten an das Mindestlohngesetz halten.
Vom gesetzlichen Mindestlohn profitieren Millionen Menschen in Deutschland: Die Erhöhung auf zwölf Euro im Jahr 2022 habe mehr als ein Fünftel der Jobs in Deutschland betroffen – auch wenn nicht alle Unternehmen die Vorgaben vollständig umgesetzt haben dürften, heißt es in einer Studie von Laszlo Goerke und Markus Pannenberg. Die Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Trier und der Hochschule Bielefeld haben untersucht, welche Rolle Betriebsräte in diesem Zusammenhang spielen. Ihren Ergebnissen zufolge werden Beschäftigte in mitbestimmten Betrieben deutlich seltener um den Mindestlohn geprellt.
Betriebsräte hätten laut Betriebsverfassungsgesetz die Aufgabe, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden“, schreiben Goerke und Pannenberg. Zudem gebe es verbriefte Mitsprachrechte unter anderem bei der Arbeitszeit und der Struktur der Entlohnung. Insofern hätten Betriebsräte gute Karten, wenn es darum geht, Umgehungen des Mindestlohngesetzes aufzudecken. Betroffene Beschäftigte könnten sie zudem bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützen. Weil zusätzlich Strafzahlungen drohen, erhöhten sich aus Arbeitgebersicht die zu erwartenden Kosten von Mindestlohnverstößen, was eine abschreckende Wirkung haben sollte.
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Um zu überprüfen, ob sich der erwartete Effekt empirisch nachweisen lässt, haben die Ökonomen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2016 und 2019 ausgewertet. In die Analyse einbezogen wurden die Angaben von Befragten in Privatbetrieben mit mindestens fünf Beschäftigten, deren Tätigkeiten unter das Mindestlohngesetz fallen. Um den wahren Stundenlohn einzugrenzen, wurden zwei verschiedene Berechnungen durchgeführt: Für die Bestimmung der oberen Grenze dienten Kalkulationen mit der vertraglichen Arbeitszeit, die die bezahlten Überstunden nicht enthält, die in den Monatslohn eingehen. Die untere Grenze wurde mithilfe der berichteten Arbeitsstunden ermittelt, zu denen auch unbezahlte Überstunden gehören, die zum Beispiel auf einem Arbeitszeitkonto landen.
Den Ergebnissen zufolge ist die Wahrscheinlichkeit von Mindestlohnverstößen für Beschäftigte in mitbestimmten Betrieben um 2,2 bis 4,1 Prozentpunkte geringer als in Betrieben ohne Mitbestimmung, wenn man Faktoren wie die Betriebsgröße, das Alter oder die Qualifikation der Beschäftigten statistisch berücksichtigt. Goerke und Pannenberg halten das für einen „beträchtlichen Effekt“: Das Risiko, weniger als den Mindestlohn zu erhalten, das ausweislich der SOEP-Daten bei 6,3 bis 10,8 Prozent liegt, werde durch die Existenz von Betriebsräten im Unternehmen um etwa 40 Prozent gesenkt. Mitbestimmung könne also bei der Durchsetzung des Mindestlohns helfen. Ebenfalls denkbar sei, dass der positive Effekt, den Betriebsräte auf die Produktivität haben, Verstöße weniger attraktiv macht.
Laszlo Goerke, Markus Pannenberg: Minimum Wage Non-compliance: The Role of Co-determination (pdf), IZA Discussion Paper Nr. 16621, November 2023