Mitbestimmung: Betriebsräte fördern die Integration
Die Integration von Geflüchteten gelingt besser mit Mitbestimmung und Tarifverträgen. Das zeigt eine Studie, deren Ergebnisse wir im Rahmen der Kampagne „Mitbestimmung sichert Zukunft” der Hans-Böckler-Stiftung präsentieren.
Auch wenn der Einstieg oft nicht leichtfällt, haben Geflüchtete gute Chancen, in der deutschen Arbeitswelt Fuß zu fassen. Das gilt vor allem in Betrieben, in denen die Beschäftigten von Mitbestimmung und Tarifverträgen profitieren. Zu diesem Ergebnis kommt Werner Schmidt vom Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur (F.A.T.K.). Der Forscher hat untersucht, wie es um die Integration von Geflüchteten steht, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, und wie die Beschäftigten verschiedener Herkunft im Betrieb miteinander klarkommen. Die Untersuchung stützt sich auf Interviews mit Beschäftigten und Experten in 15 Betrieben sowie mit Vertretern von Gewerkschaften, eines Arbeitgeberverbands und einer Handwerkskammer.
Zuwanderer, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, bemühen sich genauso darum, sich im Arbeitsleben zu etablieren, wie frühere Generationen von Migranten, schreibt der Forscher. Die Hoffnung auf dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt und beruflichen Erfolg habe für alle Befragten eine zentrale Bedeutung und es gebe keinerlei Hinweis darauf, dass es ihnen an Engagement mangelt. Allerdings benötige die Arbeitsaufnahme bei Geflüchteten mehr Zeit als bei vielen Arbeitsmigranten, auch weil ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis oft eingeschränkt ist. Zum Zeitpunkt der Untersuchung seien nur wenige der Befragten in einem Normalarbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Zudem werde die Freude darüber, einen Einstieg in die Arbeitswelt gefunden zu haben, überschattet durch große Unsicherheit: zum einen aufgrund der Angst, Deutschland wieder verlassen zu müssen, zum anderen aus Furcht davor, eine angestrebte Berufsausbildung nicht zu erhalten oder – meist aus sprachlichen Gründen – nicht zu bewältigen. Dennoch sieht der Forscher generell gute Chancen für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt: Angesichts der Sprach- und Qualifizierungsangebote sowie der Tatsache, dass unter den Geflüchteten auch Akademiker sind, bestehe die Chance, dass sie mit der Zeit auch in Jobs für höher Qualifizierte arbeiten.
Einen wichtigen Faktor für den Erfolg stellen der Studie zufolge die „institutionalisierten Arbeitsbeziehungen“ in Deutschland dar. „Gewerkschaftlich durchgesetzte Tarifverträge und eine einheitliche, gemeinsame Arbeitnehmervertretung für alle Beschäftigten nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind gerade deshalb wichtige Instrumente der Integration, weil sie nicht nach der Herkunft von Beschäftigten fragen“, so der Forscher. Universelle Regeln und gemeinsame Interessenvertretungen seien ein Gegengewicht gegen Diskriminierung. Anders ausgedrückt: Tarifverträge und Betriebsräte schützen nicht nur die etablierten, sondern auch die neu zugewanderten Kollegen vor Benachteiligung. Problematisch sei es in Bereichen, in denen die Tarifabdeckung schwach ist und Arbeitnehmervertretungen fehlen, etwa bei manchen privaten Dienstleistungen.
Ein weiteres Problem seien Vorurteile und Rassismus in Teilen der Gesellschaft. „Das größte Integrationsproblem liegt nicht im Verhalten der Geflüchteten selbst, sondern in rechtspopulistischen Diskursen, die die Politik beeinflussen und stärker als früher auch in die Betriebe eindringen und die alltägliche Zusammenarbeit der Beschäftigten unterschiedlicher Herkunft stören“, schreibt der Wissenschaftler. Nur ein „solidarischer Universalismus“ im Betrieb, der an den Errungenschaften der Gleichbehandlung festhält, aber auch über den Horizont der Arbeitswelt hinausblickt, sei in der Lage, Zusammenhalt in einer vielfältiger gewordenen Gesellschaft und Arbeitswelt zu stiften.
Werner Schmidt: Geflüchtete im Betrieb, Integration und Arbeitsbeziehungen zwischen Ressentiments und Kollegialität, Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung Band 195, März 2020